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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht sicher, dass Maiwald kommt. Und bei allem Engagement für junge Künstler, einer von seinen Schinken reicht mir. Barlinkow kannst dubeim nächsten Mal wieder verarschen. Dafür wirst du nicht vier Tage auf dem Boot sausen lassen.»
    Verarschen, dachte sie. Joachim Kogler hatte im Zusammenhang mit Barlinkow von ausgezeichneter Unterhaltung gesprochen. Sie seufzte gequält. «Natürlich nicht. Aber es kann sein, dass ich gleich noch einmal kurz wegmuss. Helga wollte anrufen, und   …» Sie nahm einen Keks mit Schokoladenguss, biss hinein und hatte das Gefühl, daran ersticken zu müssen.
    Er setzte sich ihr gegenüber in den zweiten Sessel. Seine Stimme hatte eine gewisse Schärfe: «Dann rede ich mit ihr. Ein paar Stunden pro Woche sind okay. Aber wenn du meinst, du müsstest dich jeden Tag von Hardenberg einspannen und sogar am Wochenende mit Beschlag belegen lassen, streike ich. Du kennst meine Meinung. Daran hat Jos Volltreffer nichts geändert, im Gegenteil. Wenn Hardenberg meint, er müsse sein Geschäft erweitern, soll er sich gefälligst selber darum bemühen.»
    An dieser Stelle hätte Nadia ihn garantiert daran erinnert, wer sein Studium finanziert hatte. Sie nickte nur. Eine halbe Stunde später führte er sie nach oben. Er stutzte, als er die Tür öffnete und sah, dass sich nichts im Fernsehzimmer verändert hatte. Dann lächelte er verstehend, ging zum Regal und machte Musik. Sie ließ erneut den Rock auf die Füße fallen, zog die Bluse aus, setzte sich auf die Couch und streckte die Hände nach ihm aus.
    Es gelang ihr nicht völlig, die Gedanken abzuschalten und sich treiben oder fallen zu lassen. Trotzdem war es gut, bewusster als in der Nacht zuvor. Sie verwirrte ihn erneut, das spürte sie. Aber sie spürte auch, dass er es genoss.
    Kurz vor fünf zerstörte das Handy im Arbeitszimmer die weiche Stimmung. Ihre Kleidung lag im Raum verteilt, sie und er zwischen den Kissen am Boden. Aus den Stereoboxenschmachtete eine Männerstimme: «When a man loves a woman.» Seine Hand spielte sanft und träge dicht unter ihrem Haaransatz. Beim ersten Klingeln zuckte die Hand kurz, dann schloss sie sich fest um ihren Nacken. Er zog ihren Kopf zu sich heran und küsste sie. «Lass es bimmeln», murmelte er. «Denk an deinen guten Vorsatz. Stress können wir im Moment nicht gebrauchen.»
    Im Arbeitszimmer klingelte es zum vierten und fünften Mal. «Sie gibt gleich auf», flüsterte er, küsste sie erneut und hielt ihren Nacken mit eisernem Griff fest. «Die Enthaltsamkeit bekommt dir ausgezeichnet. Du schmeckst viel besser und riechst so gut. Das ist mir gestern schon aufgefallen.»
    Es klingelte zum sechsten und siebten Mal. Sie legte beide Hände um sein Gesicht und schob ihn ein wenig zurück. «Lass mich ihr wenigstens absagen.»
    Er ließ sie los. «Aber mach’s kurz.»
    Sie nickte, stand auf, schloss die Tür hinter sich und ging, nackt, wie sie war, ins Arbeitszimmer.
    «Warum hat das so lange gedauert?», fragte Nadia ungehalten. Den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, war sie bereits am Flughafen.
    «Hallo, Helga», sagte sie.
    «Ist Michael da?»
    «Tut mir Leid, Helga», sagte sie. «Ich weiß, dass ich es versprochen habe. Aber heute schaffe ich es nicht mehr.»
    «Ist Kemmerling etwa auch da?», fragte Nadia.
    «Nein, wirklich nicht», sagte sie. «Mein Mann hat ein paar Tage Urlaub. Sie haben ein Virus im Laborrechner. Er wollte gestern daheim arbeiten. Jetzt ist er froh, dass ich ihn nicht gelassen habe.»
    «Gut», kommentierte Nadia. «Dann sieh zu, dass du wegkommst. Sag ihm, du musst Unterlagen aus dem Büro holen.»
    Die gedämpfte Musik wurde plötzlich lauter. Michael erschien bei der Tür.
    «Läuft da Musik?», erkundigte sich Nadia misstrauisch.
    «Wenn es unbedingt sein muss», seufzte sie. «Also gut, ich bin in einer Stunde da.»
    Michael schüttelte nachdrücklich den Kopf und kam näher. «Das kommt überhaupt nicht infrage.» Ehe sie reagieren konnte, nahm er ihr das Handy ab. «Richten Sie Hardenberg einen schönen Gruß aus, Frau Barthel, meine Frau braucht ein paar Tage Ruhe. Bis nächsten Donnerstag steht sie nicht zur Verfügung.» Mit leicht gerunzelter Stirn horchte er, grinste zufrieden. «Aufgelegt.» Er legte das Handy zurück auf den Schreibtisch und griff nach ihrer Hand.
    Und für einen Moment stellte sie sich vor, wie es weiterginge, wenn sie ihm nachgäbe. Nadias Warten am Flughafen. Nadias Begreifen, dass sie nicht käme. Nadias Wut und Ohnmacht.

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