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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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moralisch unter Druck zu setzen, nachdem sie selbst verhindert hatte, dass dieses Loch auf ehrbare Weise gestopft werden konnte. Wenn es so gewesen war, hatte Nadia ihr eine einigermaßen sorgenfreie Zukunft und die Aussicht auf ein gesichertes Alter gestohlen.
     
    Minutenlang fühlte sie ein Gemisch aus Ohnmacht und rasender Wut, das sie völlig ablenkte von der Nacht und den Gefühlen, die Nadias Mann in ihr ausgelöst hatte. Nach einer Weile pegelte sich das Gemisch in Richtung Wut ein. Zwei Möglichkeiten: Entweder «Ich bekomme ab sofort   …»; oder brachte ihr persönlich zwar gar nichts, gefiel ihr aber besser. Wenn Nadia tatsächlich so großen Wert auf ihre Ehe und Michaels Ahnungslosigkeit legte: ein Anruf im Labor, ein offenes Gespräch mit ihm.
    Im Arbeitsvertrag war nur die Anschrift des Pharmakonzerns angegeben, keine Telefonnummer. Und dass er heimkäme,ehe sie das Haus verlassen musste, glaubte sie nicht. Wenn der Techniker pünktlich erschienen war und Olaf repariert hatte, gab es gewiss eine Menge zu tun.
    Auf der Suche nach einem Adressbüchlein oder Register mit Telefonnummern durchstöberte sie zuerst die Schubfächer am Schreibtisch. Dort fiel ihr das Diktiergerät in die Hände, mit dem Nadia am Probesonntag ihre Befürchtungen ausgeräumt hatte, ihre Stimmen könnten einen unterschiedlichen Klang haben. Das Gerät schien seitdem nicht mehr benutzt worden zu sein. Als sie es einschaltete, hörte sie zuerst Nadia den lapidaren Brieftext sprechen – und dann sich selbst fragen: «Was soll ich denn sagen?» Danach sprach wieder Nadia. Und auch wenn man keinen Unterschied hörte, die Frage, ob sie sich ihr Geld genommen habe, und ihre Antwort darauf mussten jedem klar machen, dass da zwei Frauen sprachen.
    Mit dem Diktiergerät in der Hand ging sie nach nebenan. Diesmal verursachten ihr das Tuch auf der Couch und die Flasche Massageöl keine Beklemmungen mehr. Sie beachtete die Zeugen der Nacht gar nicht. Länger als eine Viertelstunde suchte sie nach einer Möglichkeit, eine Kopie des Bandes anzufertigen. An der Stereoanlage gab es keine. In einem Schubfach des Schranks, hinter dessen Türen das Massageöl aufbewahrt wurde, fand sie zwar mehrere winzige Kassetten, ins Diktiergerät ließen sie sich jedoch nicht einlegen. Damit verbot es sich, das Originalband mitzunehmen.
    Es dauerte eine Weile, ehe sie herausfand, dass es sich um Ersatzbänder für den Anrufbeantworter auf dem Schreibtisch handelte. Und plötzlich funktionierte es. Sie tauschte die Kassette im Anrufbeantworter gegen ein Ersatzband und wählte auf dem Handy die Nummer des Hausanschlusses. Das Telefon neben dem Bett klingelte nur zweimal, dann erklang im Arbeitszimmer bereits Nadias Stimme vom Anrufbeantworter. Nach der Ansage kam der Pfeifton. Sie schaltete dasDiktiergerät ein und drückte das Handy darauf. Ihre Kopie war von der Tonqualität her zwar schlechter als das Original. Doch das störte sie nicht.
    Anschließend schaute sie sich den Inhalt des zweiten Schubfachs am Schränkchen an. Ein Telefonregister fand sie nicht, aber ganz hinten, unter einem Sammelsurium von Kleinkram, einen Briefumschlag, der mit einer dunklen Flüssigkeit durchtränkt war. Die Empfängeranschrift war unleserlich. Zu entziffern waren nur noch der Absender   – Nadia   –, der Poststempel – aufgegeben im August vor zwei Jahren in Köln – und ein Stempelaufdruck. «Retour à l’Expéditeur».
    Das Kuvert war geöffnet, darin befanden sich zwei von Hand beschriebene Seiten, leider auf Französisch und zudem von der dunklen Flüssigkeit stark beeinträchtigt. Die Anrede war lesbar: «Jacques, mon chéri». Das suggerierte ihr, es handle sich um intime Zeilen an einen Liebhaber. Wo stand denn geschrieben, dass der Dunkelhaarige vom Flughafen der Erste war, mit dem Nadia ihren Mann betrog? Dass der Brief zurückgekommen war, konnte doch nur bedeuten, mon chéri hatte die Annahme verweigert, mit anderen Worten: Schluss gemacht mit Nadia.
    Sie ging mit den beiden Seiten zurück ins Arbeitszimmer. Der Computer hatte längst in den Stand-by-Modus geschaltet, doch es genügte ein Druck auf die Leertaste, um das Schreibprogramm wieder zu aktivieren. Alles, was noch lesbar war, tippte sie ab. Es passte auf eine Seite, die sie auch ausdruckte.
    Ehe sie danach weiter die Telefonnummer des Labors suchte, machte sie sich etwas zu essen, nur ein Fertiggericht. Den Teller nahm sie mit hinauf. In der Hoffnung, im Computer ein Adressverzeichnis zu

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