Die Lüge
ausprobieren kann», sagte sie. «Ich kann nicht schwimmen.»
«Umso besser», fauchte Nadia. «Beim Liebesspiel zu ersaufen ist bestimmt ein schöner Tod.»
Nadia kam langsam auf sie zu und blieb dicht vor ihr stehen. Sekundenlang hatte es den Anschein, als wolle sie ihr die Hände um die Kehle legen. «Die Nacht», zischte sie, «darüber hätte ich hinweggesehen. Da bist du ahnungslos hineingeschlittert, das kann man niemandem zum Vorwurf machen. Aber am Freitagnachmittag, meine Liebe, bist du entschieden zu weit gegangen. Du bist wohl auf den Geschmack gekommen, was? Aber nicht mit meinem Mann!»
Nun, da Nadia ihre Wut offen zeigte und die Fronten geklärt waren, wurde sie völlig ruhig. «Wenn überhaupt», sagte sie, «dann nur mit deinem Mann. Dein Freund ist nicht mein Geschmack. Wer mit einem Schlägertyp durch die Gegend fährt, kann nicht unbedingt der Stärkste sein.»
Nadia stutzte. «Schlägertyp?»
«Der Kerl vom Flughafen», sagte sie. «Ich war am Donnerstag ein bisschen früher da und habe dich aus dem schwarzen Auto steigen sehen. Was sollte der Typ darstellen, Chauffeur oder Wachhund? Wachhund vermute ich, er musste ja draußenwarten wie Lumpi. Hat er auch nachts aufgepasst? Oder musste er mit ins Bett, um Herrchen zu unterstützen? Also, mir hätte das nicht gefallen – mit einem Ersatzmann in unmittelbarer Nähe. Ich bin mehr für traute Zweisamkeit und schätze, ich hatte die angenehmere Nacht.»
Nadia beruhigte sich ebenfalls wieder. «Dann kannst du ja davon zehren. Eine Zugabe gibt es nicht.»
«Das sehe ich anders», widersprach sie. «Wir bleiben bei unserer Abmachung, alle vierzehn Tage und tausend Euro pro Einsatz. Das ist verdammt billig, wenn man bedenkt, dass du mich den Job bei Behringer gekostet hast. Das hast du, ich weiß es. Ich war nämlich noch da, als Philipp Hardenberg anrief. Aber ich will nicht unverschämt werden und besondere Leistungen extra berechnen. Für das Vergnügen deines Mannes musst du nicht zahlen. Ich bin schließlich keine Nutte. Was Michael braucht, bekommt er von mir umsonst. Das tu ich sogar gerne. Er war nicht egoistisch, er war phantastisch. Und er fand, dass ich mich gut anfühle, besser schmecke und besser rieche.»
Vielleicht hätte sie das nicht sagen sollen. Aber sie hatte es sich einfach nicht verkneifen können. Nadia starrte sie an, blanke Wut in den Augen. Sie hatte sich in Form geredet und sprach ohne Pause weiter: «Wenn du damit nicht einverstanden bist, muss ich Michael anrufen und um ein Treffen bitten. Ich kann ihm das kleine Tonband vorspielen, das du in meiner Wohnung aufgenommen hast. Ich kann ihm meinen Ausweis und deine Briefe an mich zeigen. Und noch einige mehr. Ich kann eine Menge tun, um ihn zu überzeugen, dass es seine Frau auch in einer treuen Version gibt. Und dass er sich bei dieser Version keine Sorgen machen muss, wenn sie mal ein Schlückchen trinkt.»
Ihr Herz holperte ein wenig bei der Aufzählung ihrer Möglichkeiten, aber insgesamt fühlte sie sich stark, ebenso starkwie in dem Augenblick, als sie sich beim zweiten Banküberfall vor den alten Herrn Schrag gestellt und ihn zum Ausgang geschoben hatte. Zwei Sekunden lang wähnte sie sich in der besseren Position. Dann begann Nadia zu lächeln. Es war kein böses, kein teuflisches, kein kaltes Lächeln. Es war nur gelangweilt und wirkte wie der rote Fleck auf dem Hemd des Filialleiters.
«Du solltest mir nicht drohen. Bei deiner Vita müsstest du wissen, dass du den Kürzeren ziehst. Es bricht Müttern das Herz, wenn sie am Grab der einzigen Tochter stehen. Und deine Mutter dahin zu bringen kostet mich ein Fingerschnipsen. Ruhe in Frieden, Susanne Lasko, du hättest ohnehin nichts mehr aus deinem Leben machen können. Willst du das? Dann ruf Michael an.»
Nadia ließ sie stehen und ging zurück zum Parkplatz. Sie folgte langsam, aufgewühlt und ungläubig, weil ihre Augen tatsächlich den Boden nach einem Knüppel, einem Stein oder sonst etwas absuchten, womit sie zuschlagen könnte. Sie konnte nichts dagegen tun. Ein paar Schritte vor ihr baumelte die Handtasche von Nadias Schulter, die alles enthielt, was sie brauchte. Etliche Kilometer entfernt gab es einen Mann, dem sie offenbar etwas geboten hatte, was er bei seiner Frau vermisste! Und hundert Meter weiter stand der Porsche! Und sie wusste nicht, wo sie ihn abliefern und den Alfa Spider suchen sollte. Sie hätte nicht gewusst, wie sie bei der nächsten Party, die Lilo Kogler veranstaltete, Henseler, den
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