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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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jungen Maiwald oder Barlinkow verarschen sollte. Ein vierzigjähriges Leben war keine abgelegte Bluse, die man einfach so überstreifte. Sie hörte ein sonderbares Knirschen und wusste, dass es ihre Zähne waren.
    Nadia erreichte den Wagen, schloss die Beifahrertür auf und deutete mit einer einladenden Geste auf den Sitz. Als sie zögerte, fragte Nadia lässig: «Willst du zu Fuß zurückgehen?Oder hast du Angst? Keine Sorge, ich werde dich wohlbehalten vor deiner Bruchbude absetzen. Und dann vergessen wir die Sache. Wenn du dich ruhig verhältst, hat deine Mutter einen ungetrübten Lebensabend.»
    Sie stieg ein. Und Nadia fuhr sie zurück. Zwei Straßen von ihrer Wohnung entfernt hielt Nadia an. Sie stieg aus und beugte sich noch einmal in den Wagen. «Was ist denn nun mit Mittwoch?»
    «Verzieh dich», zischte Nadia. «Und mach die Tür zu.»
    Sie machte sie nicht zu, ging einfach davon. Hinter sich hörte sie Nadia fluchen, die Wagentür knallte, der Motor röhrte auf. Der weiße Flitzer preschte an ihr vorbei und verschwand. Heller hing immer noch oder wieder im Fenster und brüllte etwas, als sie sich dem Haus näherte. Als sie die Haustür aufdrückte, verschwand er. Sie rechnete damit, dass er ihr im Treppenhaus auflauerte. Zu seinem Glück tat er das nicht. Sonst hätte er vielleicht zum ersten Mal Bekanntschaft mit ihrem Knie gemacht.
    Den ganzen Abend und die halbe Nacht lief sie herum, von der winzigen Küche ins kleine Wohnzimmer, von dort ins halbe Schlafzimmer und weiter ins Miniduschbad. Halb blind vor Tränen heulte sie den nicht ergriffenen Knüppeln im Wald hinterher. Einmal rückten die Wände auf sie zu und drohten sie zu ersticken, dann rückten sie weit von ihr ab, und die ganze Schäbigkeit verwandelte sich in einen weißen Palast, in dem ein gutmütiger und zärtlicher Mann sehnsüchtig auf sie wartete.
    Mit den ersten Zügen vor dem Fenster kehrte Ruhe ein, wenigstens in ihrem Innern. Sie ging unter die Dusche und beseitigte mit viel kaltem Wasser die Tränenspuren. Um halb sieben saß sie mit Nadias Briefen vor ihrem Frühstück und las zum hundertsten Mal: «Vielleicht kann ich etwas tun, das zu ändern.»
    Nadia Trenkler hätte eine Menge tun können. Dass sie nur mit einem Finger schnipsen müsste, um sie aus der Welt zu schaffen – es war der Ausdruck, der dieser Drohung jedes Gewicht nahm. Sie glaubte nicht, dass Nadia ihr tatsächlich gefährlich werden könnte. Und sie war fest entschlossen, Nadia nicht ungeschoren davonkommen zu lassen.

3.   Teil
    D er erste Weg am Dienstag, dem siebzehnten September, führte Susanne Lasko an den Platz, an dem es begonnen hatte, in die Eingangshalle des Gerler-Bürohauses. Es war kurz nach neun und ziemlich kühl. Der Himmel war ebenso grau und trostlos wie ihre Zukunft. Nur dort, wo die Sonne stehen musste, war ein rosa angehauchter Fleck in den Wolken zu erkennen.
    Sie trug eine hellgraue Hose, einen Pullover und einen dunkelblauen Wollblazer. Ein dezentes Make-up verlieh ihrem Gesicht Ebenmäßigkeit. Zögernd näherte sie sich den vier Aufzügen, zitterte ein wenig beim Gedanken, eine der Türen ginge auf und sie stünde ihrem Ebenbild gegenüber. Ein Aufzug kam. In der Kabine standen nur zwei Männer, die eilig an ihr vorbeistrebten.
    Mit einem langen Atemzug bestieg sie die leere Kabine und wollte den Knopf für die fünfte Etage drücken. In dem Moment sah sie es. «Alfo Investment». Eine kleine Messingplakette neben dem Knopf für das siebte Stockwerk. Darauf hätte sie auch eher kommen können. Eine andere Gelegenheit, diese Bezeichnung zu registrieren, hatte sie doch kaum gehabt. Nadias auf Dienstag verschobener Termin schoss ihr in den Sinn. Es lag auf der Hand, dass Nadia auftauchte, um ihren Alfa gegen den Porsche zu tauschen. Aus einem Reflex drückte sie den Knopf für die Tiefgarage.
    Minuten später ging sie zügig an den Reihen abgestellter Wagen entlang. Vereinzelt gab es noch freie Lücken. Schließlich entdeckte sie den weißen Flitzer hinter einem der mächtigenBetonpfeiler, neben einem grünen Golf, neben dem ein dunkelblauer Mercedes stand. Ein Platz war noch frei. Dann kam der nächste Betonpfeiler. Und über die vier Parkplätze spannte sich der Hinweis auf der weißen Garagenwand: «Alfo Investment».
    Den dunkelblauen Mercedes kannte sie. Sie war schon einmal darin mitgenommen worden. Der freundliche Dicke, der sie mit hohem Fieber in die Innenstadt kutschiert hatte, war demnach höchstwahrscheinlich Philipp

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