Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
Problem mit dem Schredder nicht in den Griff bekommen?», erkundigte sie sich vorsichtig. «Du klingst verärgert.»
    Er lachte rau. «Was denn, das fällt dir auf? Erinnere mich bei Gelegenheit daran, dass ich mir ein Kreuzchen in den Kalender mache.» Dann legte er sich hin, zog die Decke über und sagte noch: «Wenn du noch länger quatschen willst, ruf Philipp an, ich bin zu müde.»
    Er schlief rasch ein, sie lag nur wenige Zentimeter neben ihm und hätte sich ebenso gut auf dem Mond befinden können. Zweimal ertrug sie seine unmittelbare Nähe nicht länger, schlich nach unten, stand eine Weile in der Küche, tranknoch etwas Mineralwasser, schluckte ein paar Tränen hinunter, versprach ihrem Kind, es werde alles gut, und kroch dann wieder neben ihn.
    Erst gegen fünf am Freitagmorgen fiel sie in einen leichten, unruhigen Schlaf. Und nur eine Stunde später war es schon wieder vorbei. Er schlug neben ihr seine Decke zurück und weckte sie damit auf. Durch die offene Tür zum Bad drang ein leises, regelmäßiges Zirpen. Nackt, wie er war, ging er hinüber. Das Zirpen verstummte. Sie stand ebenfalls auf und folgte ihm. Er war bereits in der Duschkabine, durch die Glastür wirkte er wie ein Schemen.
    Trotz seines abweisenden Verhaltens hatte sie das Bedürfnis, ihn zu berühren, und sei es nur für eine Sekunde zum Abschied.
    Es war ein Abschied – für viele Monate. Philipp Hardenberg mochte noch so sehr auf einen Einsatz in den nächsten Wochen drängen. Nadia würde das nicht zulassen. Wenn mehr Zeit war als gestern, würde Nadia kontrollieren, ob es noch keine verräterischen Anzeichen gab. Und Nadia würde feststellen, dass es inzwischen einen großen Unterschied gab, eine ganze B H-Größe mehr. Ob er es in dieser Situation registrierte, kümmerte sie nicht.
     
    Ihre Füße steuerten automatisch die Duschkabine an. Ihre Hände schoben die Glastür zur Seite. Er empfing sie mit einem unwilligen Blick und dem abfälligen Hinweis: «Spar dir die Mühe, mir ist nicht nach Morgengymnastik.»
    Im selben Moment kam die Übelkeit. Wie eine heiße Welle schoss es ihr in die Kehle. Mit knapper Not erreichte sie die Toilette. Er schaute durch die offene Glastür verblüfft zu, wie sie in die Knie ging, würgte und spuckte, bis auch der letzte Rest Eissplittertorte und Matjesfilet nach draußen befördert war.
    «Wieder zu viel gesoffen?», erkundigte er sich, als sie sich endlich wieder aufrichtete. Er klang kalt und gewöhnlich.
    Sie stand auf, schlich zu einem der Waschbecken und spülte den Mund aus. Ihr Magen rebellierte immer noch in leichten Krämpfen.
    «Kannst es ruhig zugeben», sagte er, während er sich abfrottierte. «Du warst zweimal unten. Das habe ich wohl mitbekommen.»
    «Ich habe nur Wasser getrunken», sagte sie.
    «Klar doch», meinte er. «Deshalb kotzt du ja wie ein Reiher. Nimm ein Aspirin, das hilft gegen den Kater.»
    «Ich habe keinen Kater», sagte sie.
    «Nicht?», fragte er erstaunt. «Und warum sind dann meine Matjes aus dem Kühlschrank verschwunden?»
    Das erklärte sie ihm lieber nicht, sagte stattdessen: «Ich muss gleich weg und wollte dir vorher noch etwas sagen.»
    Er ging zum zweiten Waschbecken, nahm einen Elektrorasierer aus einem der Spiegelschränke und verzog den Mund. In den Spiegeln sah es fast aus wie ein Lächeln. «Nur zu», meinte er großzügig. «Ich bin ganz Ohr. Fünf Minuten habe ich noch.»
    Er schaltete den Rasierer ein und fuhr sich damit die Wangen und das Kinn ab. Das Surren zerrte an ihren Nerven. Und sein Verhalten – er strahlte eine so ungeheure Kälte aus. Sie schüttelte den Kopf. «Ich kann nicht! Nicht, wenn du so bist.»
    In den Spiegeln war sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet. Wieder verzog er den Mund zu diesem Fastlächeln, das so verletzt wirkte. Auch dabei rasierte er sich weiter. «Aber ich hab zu können, egal, wie du bist.» Endlich schaltete er den Rasierer aus, legte ihn zurück in den Schrank, drehte sich um und schaute sie direkt an. «Tut mir Leid, wenn ich deine Erwartungen nicht erfülle. Ich weiß, dass du dir einbildest, duhättest eine Menge in ein Stehaufmännchen investiert. Aber ich bin, verdammt nochmal, kein Spielzeug, das man nur bei Bedarf aus der Schublade kramt.» Beim letzten Satz war er bereits auf dem Weg zur Tür.
    «Ich liebe dich», murmelte sie.
    Er blieb noch einmal stehen und drehte sich um. «Was hast du gesagt? Ich hab dich nicht richtig verstanden.»
    «Ich liebe dich», wiederholte sie lauter. «Ich sollte das

Weitere Kostenlose Bücher