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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht sagen, ich tu mir nur selbst weh. Aber ich will, dass du es weißt, auch wenn meine Gefühle für dich nicht zählen.»
    Er atmete tief durch, ließ den Blick nicht von ihr. «Das hast du also gemerkt. Ehrlich gesagt erstaunt mich das. Aber du hast Recht. Im Moment fällt mir ein rundes Dutzend Dinge ein, das mir entschieden wichtiger ist als deine Vorstellung von Liebe.»
    Er zuckte mit den Achseln und verzog das Gesicht, als wolle er sich mit dieser Geste für sein mangelndes Interesse entschuldigen. Dann sprach er langsam und bedächtig weiter: «Andererseits, wenn du dir selbst wehtust mit solch einem Geständnis, auf der Basis wäre ein klärendes Gespräch vielleicht doch keine pure Zeitverschwendung. Nur müssen wir das leider verschieben.»
    Sein sarkastischer Ton half ihr ein wenig, mit dem Aufruhr im Innern fertig zu werden. Was im September geschmerzt hatte, tröstete nun. Er sah nicht sie, er sah Nadia, und seine Worte gingen ausschließlich an Nadias Adresse. Sie betrat endlich die Duschkabine. Als sie die Glastür hinter sich schließen wollte, sah sie ihn gegen den Türrahmen gelehnt stehen und sie erneut betrachten mit einem langen, forschenden Blick.
    «Hast du es wirklich so gemeint, wie es klang?», fragte er und klang dabei selbst fast wieder so wie bei ihrem ersten Einsatz. Sie nickte nur. Er zog die Unterlippe ein und ließnoch ein paar Sekunden verstreichen, ehe er erklärte: «Es wird heute ziemlich spät. Wir hatten gestern einen Notfall, hast du ja mitbekommen. Heute fangen wir bei null an.»
    «Was war denn los?», erkundigte sie sich.
    Er seufzte. «Mal wieder ein alter Bekannter, kam frisch aus einer anderen Testreihe und ließ sich von der MTA eine Ladung verpassen, ohne ein Wort zu sagen. Sein Blutdruck schoss in die Höhe, wir dachten, er geht uns drauf. Wenn heute alles glatt geht, könnte ich es bis neun zu Demetros schaffen. Es kann aber auch halb zehn werden.»
    «Das macht nichts», sagte sie, kämpfte schon dabei gegen die Tränen an und wünschte sich, dass er endlich ging. Er schien mit sich zu ringen, ob er sie in die Arme nehmen sollte. Aber das ersparte er ihr. Mit einem letzten Nicken verließ er das Bad.
    Als sie eine halbe Stunde später die Küche betrat, war er bereits aus dem Haus. Auf dem Tisch lagen die Tageszeitung, die FAZ und ein offenes, unbeschriftetes Briefkuvert mit zwei Karten für ein Konzert von Niedenhoff. Mit einer Büroklammer war ein lieber Gruß von Frederik angeheftet, der den Vornamen auf den Konzertkarten verdeckte. Sie nahm an, Niedenhoff hieße Frederik, brachte das Kuvert in den Wohnraum und legte es auf den Flügel. Dann machte sie sich Kaffee und einen Toast mit Schinken, ansonsten war nur noch eine Packung mit Frischkäse im Kühlschrank, im September war er entschieden besser gefüllt gewesen. Den Frischkäse mochte sie nicht. Zweimal biss sie vom Toast ab, trank eine halbe Tasse dazu. Mehr brachte sie nicht hinunter im Bewusstsein, für Nadia den Boden zur Versöhnung mit Michael geebnet zu haben. Wenn das später auch immer so laufen sollte, sie wusste nicht, ob sie das auf Dauer schaffte.
    Ehe sie zur Garage ging, holte sie aus dem Hauswirtschaftsraum eine Plastiktüte, nahm zwei Dosen Hühnersuppe, zweiFertiggerichte, die nicht gekühlt werden mussten, aus den Regalen und den restlichen Schinken aus dem Kühlschrank. Sollte Nadia sich neuen besorgen, wenn sie am Wochenende frühstücken wollte. Ihren Umschlag aus dem Kofferraum steckte sie ebenfalls in die Tüte, damit Nadia ihn am Abend nicht zu Gesicht bekam.
    Weil sie es nicht länger im Haus aushielt, fuhr sie den Alfa schon um halb sieben hinaus auf die Straße und war viel zu früh in der Stadt. Es wäre noch Zeit gewesen, die Tüte mit den Lebensmitteln und dem Umschlag in ihre Wohnung zu bringen. Doch als ihr das einfiel, war sie bereits in ein nahe der Confiserie gelegenes Parkhaus gefahren und wollte nicht noch einmal umkehren. Sie stellte den Alfa auf dem ersten Parkdeck ab – ohne einen Blick auf die Gebührentabelle zu werfen.
    Frau Schädlich wunderte sich über die schicke Kapuzenjacke und die Frisur, war jedoch erfreut, sie wartend vor der Tür zu sehen, und erkundigte sich: «Wie geht’s Ihrer Mutter?»
    «Nur das Bein ist gebrochen», sagte sie. «Aber sie war sehr verwirrt von der Narkose und bestand darauf, dass ich zum Friseur gehe und mir eine neue Jacke kaufe.»
    «Nehmen Sie es nicht auf die leichte Schulter», meinte Frau Schädlich düster. «Wenn sie

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