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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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eine Narkose brauchte, kann das kein einfacher Bruch gewesen sein.» Sie erzählte etwas von Osteoporose und sah sich bestätigt, als sie kurz nach zwölf aus dem Büro rief: «Kommen Sie schnell, Frau Lasko. Ich glaube, da ist wieder die Pflegerin am Apparat. Ich hab sie nicht richtig verstanden, die Verbindung ist sehr schlecht.»
    Nadia klang hektisch und nervös, erkundigte sich zuerst, ob es Probleme mit Michael gegeben habe. Wie Frau Schädlich bereits festgestellt hatte, war die Verbindung miserabel. Nadias Stimme wurde von Rauschen und Knistern förmlich zerhackt.
    Mit Frau Schädlich im Hintergrund zog sie es vor, mit einem einfachen Nein zu antworten. Frau Schädlich nahm wohl an, sie lehne es ab, erneut aufzubrechen, um ihrer Mutter beizustehen, und sagte: «Das wäre auch heute sehr schlecht. Aber ich hab Ihnen ja gesagt, stellen Sie sich das nicht so einfach vor. Bei alten Leuten ist jeder Knochenbruch eine Katastrophe.»
    Von dem, was Nadia währenddessen sagte, verstand sie gar nichts. Danach nur: «Komme erst   …» Ein heftiges Knistern schluckte die Zeitangabe und zwei oder drei komplette Sätze. Wieder verständlich war: «…   bleiben – dir Mühe – werde zusehen – pünktlich.» Dann war die Leitung tot. Sie rief mehrfach Hallo in den Hörer, legte auf und wartete, ob Nadia einen zweiten Versuch machte. Doch das Telefon klingelte nicht wieder. Vermutlich war der Akku vom Handy abgestürzt.
    Frau Schädlich erkundigte sich, ob sie zurückrufen möchte. Sie lehnte ab mit der Begründung, es sei nur eine Bekannte gewesen, die ihr das Auto leihen wolle, damit sie abends ihre Mutter noch rasch besuchen könne.
    Wie sie es Nadia angekündigt hatte, verließ sie das Geschäft an diesem Freitagabend wenige Minuten nach sieben. Im Parkhaus stellte sie fest, dass knapp zehn Euro nicht reichten, um den Alfa auszulösen. Sie hielt dem jungen Mann an der Kasse eine von Nadias Kreditkarten hin, die er nicht akzeptierte. Er verwies auf eine nahe liegende Bankfiliale, bei der sie Bargeld vom Automaten hätte holen können – vorausgesetzt, ihr wäre Nadias Geheimzahl bekannt gewesen.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als mit dem nächsten Bus zu ihrer Wohnung zu fahren und ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken, dass Jasmin Toppler daheim wäre. Mit Erleichterung sah sie das Motorrad ihrer Nachbarin vor dem Haus stehen. Jasmin glaubte das Märchen vom Wagen einer Bekannten, der leider eine Stunde zu lange im Parkhaus gestanden hatte, undwar bereit, ihr mit einem Zwanziger aus der Patsche zu helfen. Sie fuhr sie sogar zurück zum Parkhaus. Trotzdem hatte sie viel Zeit verloren, bog erst um halb zehn in den Zubringer zum Flughafen und steuerte den verabredeten Treffpunkt an.
    Sie rechnete damit, Nadia dicht hinter der Zufahrt zu sehen. Doch es erschien niemand im Licht der Scheinwerfer. Langsam drehte sie eine Runde, noch eine und noch eine. Auch bei der vierten Runde tauchte niemand hektisch winkend auf. Kein Wunder. Es war ekelhaft kalt, und es nieselte, Nadia war nur mit einem Hosenanzug bekleidet gewesen. In der Bordtasche konnte nicht viel mehr als eine frische Bluse, ein Paar Ersatzstrümpfe, etwas Unterwäsche und Kosmetika gewesen sein. Und Nadia war nicht die Frau, unter diesen Voraussetzungen lange im Freien auf ihre Vertretung zu warten.
    Sie steuerte auf den Gebäudekomplex zu, wappnete sich innerlich gegen die Vorwürfe, die wohl kommen würden. Aber nach einem derart zerhackten Telefongespräch brauchte sie eigentlich keine Ausrede. Außerdem hatte es geklungen, als käme Nadia mit einer späteren Maschine. Ehe sie etwas anderes unternahm, klapperte sie eine Cafébar nach der anderen ab, durchstreifte die weitläufigen Hallen und wandte sich schließlich an die Dame im Informationsstand mit der Bitte, eine Bekannte ausrufen zu lassen.
    Sekunden später schallte es durchs Gebäude: «Frau Nadia Trenkler, bitte zum Informationsstand. Sie werden erwartet.» Der Ruf wurde zweimal wiederholt. Sie bedankte sich, entfernte sich einige Schritte und wartete. Fünf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde. Nadia kam nicht. Sie machte sich auf den Weg zum Serviceschalter der Swissair. Dort war niemand mehr. Und der großen Tafel, auf der die Ankunftszeiten noch ausstehender Flüge verzeichnet waren, entnahm sie, dass in dieser Nacht keine Maschine aus Genf mehr erwartet wurde.
    Inzwischen war es kurz nach elf. Sie versuchte, Nadia auf dem Handy zu erreichen, und erhielt nur die höfliche Auskunft:

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