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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Garagentor in die Höhe glitt und den Blick ins Leere freigab, atmete sie erleichtert auf. In der Diele schaltete sie rasch die Alarmanlage aus, stürmte die Treppen hinauf ins Arbeitszimmer. Kaum dass sie auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz genommen hatte, glühten bereits alle Lämpchen am Computer. Über den Monitor huschten ein paar kurze Angaben. Das Bild kam zum Stillstand mit der Aufforderung: Enter Password.
    Hastig tippte sie «Arosa» und drückte die Eingabetaste. Nichts passierte. Sie versuchte es noch zweimal, danach hatte jeder weitere Tastendruck nur ein unangenehmes Piepsen zur Folge. Nadia musste das Passwort geändert haben. Aus einem Reflex griff sie zum Telefonhörer. Der Apparat auf demSchreibtisch funktionierte, Michael musste ihn eingesteckt haben. Sie wählte die Telefonauskunft und brachte ihr Anliegen vor. Man fragte nach Philipp Hardenbergs Wohnort. Sie nahm an, dass er in der Stadt wohnte. Ob dem so war, erfuhr sie nicht. Nach ein paar Sekunden bedauerte man, ihr nicht helfen zu können. Der Teilnehmer verfüge über eine Geheimnummer. Ihre Bitte um die Telefonnummer von Helga Barthel verhalf ebenso wenig zum Erfolg.
    Sie war erschöpft und hungrig, hatte den Tag über kaum etwas zu sich genommen und glaubte, mit knurrendem Magen nicht vernünftig nachdenken zu können. In der Küche röstete sie zwei Toastscheiben, musste in die Garage, um den Schinken aus dem Kofferraum zu holen – und sah den Laptop. Zwei Minuten später saß sie damit am Küchentisch und schaltete ihn ein. Auch hier ertönte nur ein unangenehmes Piepsen, der Bildschirm flackerte einmal kurz und wurde wieder dunkel. Sie fluchte ungehalten und bemerkte aus den Augenwinkeln das Flackern über dem Kühlschrank. Der Monitor dort zeigte den üblichen Straßenabschnitt, den Vorgarten und den Plattenweg zur Haustür.
    Eine Frau näherte sich – auf extrem hohen Pumps, was sie zu einem storchenhaften Gang zwang. Zu dem unbequemen Schuhwerk trug sie einen lächerlich bunten Hosenanzug aus schlabberigem Stoff, der ihre Figur umflatterte wie ein Fallschirm. Das Gesicht wurde größer und von der Kameralinse leicht verzerrt, als die Frau die Haustür erreichte und kurz den Hund in der Diele bellen ließ. Lilo kam zu Besuch – ihrer Kleidung nach zu schließen, direkt von einer Überraschungsparty.
    Es war gewiss keine erheiternde Situation, trotzdem konnte sie sich das Grinsen nicht verkneifen. An die Tür gehen wollte sie auf keinen Fall. Lilo schien das zu ahnen, verließ ihren Standplatz, spähte durchs Küchenfenster, sah sie am Tischsitzen und machte sich durch Klopfen an die Scheibe bemerkbar. Dann trat sie erneut vor die Kameralinse. Nach drei oder vier Sekunden verzog sich das breitflächig verzerrte Gesicht auf dem Monitor frustriert, in der Diele bellte und knurrte es anhaltend. Mit einem langen Seufzer erhob sie sich und ging zur Haustür. Mit Joachim Kogler war sie doch recht gut klargekommen. Wenn es mit seiner Frau schief gehen sollte, war das Nadias Problem.
    Lilo begrüßte sie mit einem säuerlichen «An diesen Unsinn werde ich mich nie gewöhnen». Damit war wohl der Hund gemeint.
    Sie grinste müde. «Mir wäre ein Krokodil auch lieber. Aber Michael will den Pool selbst nutzen.»
    Auf den Scherz ging Lilo nicht ein. «Ich war heute Mittag schon einmal hier», erklärte sie. «Es war anscheinend niemand zu Hause.» Das klang, als ginge sie davon aus, es sei doch jemand da gewesen, man habe sie nur nicht hereinlassen wollen.
    «Ich hatte Termine. Und Michael ist nach München gefahren.»
    Aus welchem Grund auch immer zerfloss Lilo nach dieser Auskunft in Bedauern. «Du Ärmste. Jo sagte es schon, aber ich wollte es nicht glauben.» Dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht. «Da passt es ja wunderbar. Wir haben lieben Besuch. Das bringt dich auf andere Gedanken.»
    «Sei mir nicht böse», sagte sie. «Ich habe eine Menge zu tun.»
    «Ein Nein lasse ich nicht gelten», erklärte Lilo streng, lächelte dabei jedoch verschmitzt und offenbarte: «Henseler ist da, Barlinkow ist da, Hannah ist da, und Djorsch muss jeden Augenblick eintreffen.» Den letzten Namen sprach sie so betont aus, als müsse sie sich nun vor Begeisterung überschlagen.
    «Es tut mir wirklich Leid   …», machte sie einen zweiten Versuch.
    «Du brauchst ein wenig Abwechslung», unterbrach Lilo resolut und streifte sie mit einem Blick von unten bis oben. Sie trug noch den Hosenanzug, den sie morgens aus Nadias Bestand genommen hatte.

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