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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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war, stellte der Mittfünfziger fest, dass sie nichts zu trinken hatte. Als er ihr ein Glas Orangensaft holte, das sie nur festhalten durfte, beschloss sie, ihn still für sich Henseler zu nennen. Lilo nannte ihn Edgar.
    Eine Weile grübelte sie über mon chéri Jacques nach. Erst im Frühjahr reich beschenkt worden. Da musste es doch zu einer Versöhnung gekommen sein. Wieso war Nadia dann noch bei Michael? Und warum gab sie sich mit dem dicken Hardenberg ab?
     
    Auch Wolfgang Blasting wagte sich noch zweimal in ihre Nähe. Beim ersten Mal bot er ihr eine Friedenspfeife. Als sie ablehnte, zog er spöttisch eine Augenbraue hoch. «Wieder mal auf Entzug? Das erklärt ja einiges.» Beim zweiten Malkam er mit einem gefüllten Teller zu ihr. An der Schmalseite des Raumes war ein schon ziemlich kahl gefressenes Büfett aufgebaut worden. Er lobte den Waldorfsalat. «Ilona hatte neulich welchen von Carlo mitgebracht. Der war aber nicht halb so gut.»
    Über Carlo, den Waldorfsalat und Ilonas neue Vorliebe für vegetarische Kost kam er irgendwie auf seinen Beruf zu sprechen. Den Übergang registrierte sie nicht, war mit ihren Gedanken immer noch bei Jacques und Philipp und wurde erst aufmerksam, als Wolfgang Blasting einen schweren Verkehrsunfall erwähnte, bei dem ein rechtschaffener Arnim ums Leben gekommen war.
    «Furchtbar», murmelte sie.
    Wolfgang Blasting grinste und fragte, ob sie ihre Vitaminration noch lange aufwärmen wolle oder ob er ihr etwas Anständiges zu trinken holen solle. Sie nickte nur. Er tauschte den unberührten Orangensaft gegen ein Glas Champagner mit dem Hinweis, den habe sie sich verdient und Doc sei ja nicht in der Nähe. Dann sprach er weiter über den rechtschaffenen Arnim.
    Sie war zu erschöpft, um seinen Ausführungen aufmerksam zu folgen. Das ging sie ja auch gar nichts an. Nadia würde wohl wissen, was es mit diesem bedauernswerten Arnim auf sich hatte. Ihr war die Sache unangenehm, auch die Art, wie Wolfgang Blasting sich ihr widmete, viel zu nahe, den Mund so dicht an ihrem Ohr, als wolle er hineinbeißen. Sie wünschte sich, seine Frau hätte mal einen Blick herübergeworfen und ihn zurückgepfiffen.
    Ilona stand drei oder vier Meter entfernt bei der Schar, die sich um den Jüngling versammelt hatte, und lauschte mit maliziösem Lächeln dessen Schwärmereien über Julias Farben. Irgendwann bestand der Jüngling – es musste sich um Djorsch handeln – darauf, Julia herzubitten. Lilo verlangte, Josolle Julia anrufen. Jo erkundigte sich, ob Julia auf fünfzehn oder siebzehn sei, und eilte nach entsprechender Auskunft ans Telefon.
    «Hörst du mir überhaupt zu?», fragte Wolfgang Blasting.
    «Natürlich», sagte sie, war mit Augen und Ohren bei Joachim Kogler in der Diele. Das Telefon dort war der gleiche Apparat wie der im Arbeitszimmer. Sie sah genau, dass Joachim Kogler eine der unteren Tasten drückte und anschließend nur zwei Zahlen. Kurzwahl! Mit einem Schlag war sie wieder hellwach und aufmerksam, hörte Wolfgang Blasting sagen: «Ich hatte zwar keinen Luftsprung erwartet, man weiß ja, was sich geziemt im Angesicht des Todes. Aber ich dachte, es würde dich ein wenig aufrichten.»
    «Das tut es», versicherte sie. «Das tut es wirklich. Ich glaube, ich hole mir auch etwas zu essen.»
    Er schüttelte den Kopf. «Du bist wirklich einmalig. Wo bist du mit deinen Gedanken, auf den Bahamas oder in München? Ein Wochenende wirst du es wohl ohne deinen Hengst aushalten. Gönn ihm doch den Spaß. Wenn Doc sich zwei Tage im Proletariat gesuhlt hat, fällt ihm schon wieder ein, was er an dir hat.»
    Dein Hengst! Widerlich, fand sie, Wolfgang Blasting war wirklich nicht besser als Heller, und sie wurde ihn einfach nicht los. Er folgte ihr mit seinem leeren Teller zu den letzten Büfettresten, stellte erleichtert fest, dass der Waldorfsalat inzwischen restlos verzehrt war, vergewisserte sich mit einem Blick in Richtung seiner Frau, dass Ilona ihn nicht beobachtete, und schnappte sich ein Stück Schweinefilet.
    Dann kam er noch einmal auf den schrecklichen Unfall zurück: «Dass er draufgegangen ist, hätte nicht sein müssen. Aber wie schon gesagt, er hat die Jungs bemerkt, ist mit zweihundert Sachen unter den Lkw und regelrecht zerquetscht worden. Bloß sein Köfferchen ist heil geblieben. AussagefähigeUnterlagen hatte er natürlich nicht bei sich, nur Umschläge mit Nummern.»
    «Man darf nie zu viel erwarten», sagte sie, nippte an ihrem Champagner, nahm ebenfalls ein Stück

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