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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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gebe.»
    Das hatte er ihr schon Millionen Mal gesagt. Aber es zählte nicht. Sie selbst gab sich die Schuld. Nichts, was er sagte, konnte daran etwas ändern. Ihre Schuldgefühle standen unüberwindbar zwischen ihnen. Sie hatten sie einander vollkommen entfremdet.
    Mit fest aufeinandergepressten Lippen schüttelte sie den Kopf. «Du kannst nicht hierbleiben. Du bist weggegangen, und du hättest wegbleiben sollen. Zusammen kriegen wir es einfach nicht hin. Wir machen alles bloß schlimmer.»
    «Ann», versuchte er, aber sie hörte nicht zu.
    «Wir wissen nicht, wie lange diese Quarantäne andauernwird.» Ihr Gesicht war bleich. «Aber du kannst nicht hierbleiben.»
    Nach Williams Tod hatte sie es nicht ertragen, auch nur in die Nähe des Babyzimmers zu gehen. Monatelang blieb die Tür verschlossen. Eines Tages war er früher von der Arbeit gekommen und hatte Kate beim Mittagsschlaf in ihrem Zimmer vorgefunden. Er war dem leisen Rascheln nachgegangen, das aus dem Babyzimmer kam, wo die Tür weit offen stand. Dort kniete Ann vor der Kommode und packte gefaltete weiße Unterhemdchen und kleine blaue Schlafsäcke in Kartons. Er hatte in der Tür gestanden und voller Sorge dabei zugesehen, mit welchem Zorn sie die Schubladen leerte. Sie hatte ihn bemerkt und sich halb aufgerichtet, um ihn anzuschauen. «Ich kann hier nicht mehr wohnen, Peter. Wir müssen umziehen.»
    Am nächsten Morgen hatte er Liederman angerufen, und einen Monat darauf war das Angebot aus Columbus gekommen. Damals hatte er geglaubt, sie fliehe vor der Erinnerung. Jetzt wurde ihm klar, dass sie vor ihm geflohen war.
    Nachdenklich sah er sie an. Er würde sich also überlegen müssen, wo er hinkonnte. «Soll ich es den Mädchen erklären?», fragte er.
    «Ja.»

DREISSIG
    Am nächsten Tag fing es mitten in der Nacht an zu regnen.
    Ann hatte das gleichmäßige Prasseln an den Fensterscheiben schon immer geliebt. Die Melancholie habe sie ihren irischen Wurzeln zu verdanken, meinte ihre Mutter immer. Nun wurde alles frisch und sauber gewaschen, die ganzen schmutzigen Schneeberge in die Gullys geschwemmt. Wie silberne Bänder würden die Straßen blitzen. Die Bäume freundlicher aussehen. Das Gras vielleicht hier und da grün zwischen all dem trostlosen Braun leuchten. Vielleicht würden sich an den Büschen rosa, gelbe und weiße Knospen zeigen und erste Krokusse spitzen. Die Kälte würde nachlassen. Die Mädchen würden wieder richtig baden können, in der Wanne, statt vor dem Waschbecken zu zittern. Sie alle würden sich dünner anziehen und normaler bewegen können. Einmal aufatmen, bevor der Winter mit voller Macht zurückkehrte.
    Das Haus knarrte.
    Vierundzwanzig Stufen und ein kleiner Absatz trennten sie von Peter. Es hätte auch eine Bergkette sein können. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Wahrscheinlich nach Mitternacht. Im Zimmer herrschte die tiefe Finsternis der frühen Morgenstunden. Sie knuffte ihr Kissen zurecht. Der Stoff an ihrer Wange war eisig.
    Du weißt, dass ich dir keine Schuld gebe.
    Für die Mädchen würde es hart sein, dass er ging. Es würde Tränen geben, Fragen, Vorwürfe. Es würde genauso grausam sein wie beim ersten Mal.
    Ein zweites Knarren, länger diesmal. Irgendwer war auf und lief unten im Haus herum, immer wieder über dieselbe Stelle in der Küche. Sie hörte leises Weinen. Das Baby. Sie richtete sich auf. War Jacob krank?
    In der dunklen Küche stand jemand. Shazia. Sie drehte sich um. «Mit dem Baby stimmt was nicht», flüsterte sie.
    «Hat er Fieber?», fragte Ann leise.
    Das Baby wimmerte.
    «Nein.»
    «Niest er oder –?»
    «Nein. Ich glaube, es ist gar nichts Besonderes. Ich weiß es doch auch nicht.»
    Der Kleine rieb sein Gesicht an Shazias Schulter. Ann sah es und wusste Bescheid. Vor Erleichterung wurden ihr die Knie weich. Jacob war gesund.
    «Er hat Hunger.» Die Ansteckungszeit war vorbei. Jetzt hatten sie bloß noch ein hungriges, müdes Baby im Haus.
    «Aber er hat abends seinen Brei gegessen.»
    Libby hatte schon länger versucht, ihm die nächtlichen Fläschchen abzugewöhnen. Ann wusste nicht, wie weit es ihr gelungen war. Jedenfalls hatte das Kind ganz offensichtlich Hunger.
    «Versuch’s mal mit dem Schnuller.» Ann griff nach der Büchse mit der Säuglingsnahrung und drückte den Dosenöffner ins Blech. Wie viel Gramm sollte sie nehmen? Sie versuchte, sich zu erinnern, wie viel Libby Jacob zu seinen Mahlzeiten gegeben hatte, vermutlich zwischen 150 und 200   Milliliter. 150, beschloss

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