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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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sie: «Peter.»
    Ihm tat das Herz weh. Ihretwegen, wie er zu seiner Überraschung merkte. Das vertraute alte Gefühl hatte sich unbemerkt eingeschlichen. «Kannst du mir eine Decke geben, und trockene Sachen?»
    «Ja, sicher. Ich bin gleich wieder da.»
    Er hatte noch nie im Leben so gefroren. Nicht einmal in den vielen Stunden, die er vor Tagesanbruch auf Winterfeldern oder bei eisigem Wind an Seeufern verbracht hatte. Da war ihm kalt gewesen, ja, aber erst jetzt wusste er, wie kalt einem Menschen sein konnte. Seine Zähne schlugen so heftig aufeinander, dass sein Kiefer pochte. Seine Füße waren taub. Seine Hände schmerzten vor Kälte. Mit dem Gefühl, dass er sonst umfallen würde, lehnte er sich an die Wand.
    «Peter?» Ann war wieder da.
    «Ja.» Er zwang sich, sich aufzurichten. «Leg mir alles hin und geh weg. Geh bis in die Küche.»
    Schweigen.
    «Ann?»
    «Ja, ich geh weg.»
    Er zählte bis zehn, dann drehte er den Schlüssel um und stieß die Tür auf. Der Mond schien durch den Hauswirtschaftsraumauf den Haufen weicher Sachen, die gleich hinter der Tür lagen. Mehr aus Aberglauben als aus bewusster Vorsicht drehte er sich nicht zu seiner Frau um, die in der Küche stand. Aber er spürte ihre Sorge und ihre Angst, auch ohne sie zu sehen. Automatisch hatte er den Impuls, sie zu beruhigen, doch er wusste, sie würde ihn sofort durchschauen. Sie kannten aneinander so gut. Er nahm den Haufen und machte die Tür zu.
    Er zog seine nassen, kalten Sachen aus und ließ sie auf den Betonboden fallen. Dann hielt er die verschiedenen Kleidungsstücke ans Fenster, um sie zu sortieren, und zog alles nacheinander an, Unterwäsche, Jogginghose, T-Shirt , Wollpullover. Schließlich stützte er sich mit einer Hand an der Wand ab und zog sich Socken über. «Sind alle Türen abgeschlossen?»
    «Ja.»
    «Bist du sicher?»
    «Ja.»
    «Ich habe keine Babymilch gekriegt. Tut mir leid. Ich hab’s versucht.»
    «Macht nichts. Peter, wie ist es passiert?»
    «Geh ins Bett, Schatz. Wir reden morgen früh.»
    «Aber wo willst du schlafen?» Ihre Stimme zitterte.
    Er verspürte den Wunsch, sie zu umarmen. Auch das war eine Überraschung, aber eine willkommene. Er legte sich die Decke um die Schultern. «Mir wird schon was einfallen. Gute Nacht, Ann.»
    Eine Weile war es still, dann flüsterte sie: «Gute Nacht, Peter.»
     
    Es war dunkel, und ihm war kalt, und irgendwas drückte gegen sein Kreuz. Er drehte sich um. Warum konnte er die Beine nichtausstrecken? Er reckte sich und stieß mit den Knien gegen etwas, das nicht nachgeben wollte. Und unter seiner Wange lag nicht sein Kissen, sondern etwas Hartes, das kratzte. Er machte die Augen auf.
    Die Decke über ihm war grau mit einer kleinen runden Plastiklampe in der Mitte. Er drehte den Kopf und sah schwarzen Kunststoff mit abgerundeten Kanten und am Ende ein Lenkrad. Er lag in Anns Minivan.
    Richtig.
    Er lag auf dem Beifahrersitz. Er hatte den Sitz, so weit es ging, nach hinten geschoben und in Liegestellung gebracht. Nicht gerade sehr bequem, aber trocken und windstill, und er hatte immerhin – er hielt sich die Armbanduhr vors Gesicht und suchte die Zeiger – zehn Stunden geschlafen. Er konnte nicht glauben, dass es so lange gewesen war. Es war bereits Nachmittag.
    Mit einem Stöhnen richtete er sich auf. Sein Rücken schmerzte, wo er auf einer Armlehne gelegen hatte. Seine Beine waren steif. Ein Arm war taub. Er machte die Tür auf und stieg mühsam aus dem Auto, dann streckte und räkelte er sich.
    Alles war still. Er fragte sich, wo sie wohl waren. Er trat hinter den Minivan und bückte sich, um das Garagentor zu öffnen. Die Beine taten ihm weh. War das nur die Überanstrengung oder schon mehr? Das Kratzen im Hals. Kündigte sich dort ein Husten an?
    «Hallo, Dad!»
    Er kniff die Augen zusammen. In der Garage war es dunkel gewesen. Maddie kam durch den Garten auf ihn zugelaufen. Unmittelbar hinter ihr war Ann. Sie hielt sie am Arm fest und zog sie an sich. «Denk dran, was ich euch gesagt habe.» Dann sah sie ihn an und lächelte hoffnungsvoll. «Hi.»
    Jetzt kam auch Kate hinterdrein, mit dem Baby auf dem Arm. Sie biss sich auf die Lippen.
    Sie sahen alle so wundervoll aus. Die Haare von der milchigen Sonne beschienen. Die Wangen rosig von der Kälte. Sie standen zusammen, mit ihren unterschiedlichen Größen, verschiedene Ausgaben ein- und desselben Modells, in seinen Augen unfassbar schön. Er lächelte. «Hallo, ihr Lieben. Wo kommt ihr denn her?»
    Maddie sagte: «Wir

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