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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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«Na, dann kannst du eben nach Herzenslust simsen.»
    «Na klar. Dann sag das mal Mom.» Sie gähnte und drehte sich auf die Seite. «Gute Nacht, Dad.»
    Das war noch so etwas. Sie sagte nicht mehr Daddy, sondern Dad. Vielleicht fehlte ihm das am meisten.
     
    Ann war schon auf, als Peter am nächsten Morgen früh in die Küche kam. Sie stand an der Kaffeemaschine, die Hand schon am Henkel der Kanne, und wartete, dass es zu tropfen aufhörte. Sie trug ihren alten blauen Bademantel mit den ausgebeulten Taschen, und ihre Haare waren zerzaust. Sie war frühmorgens eigentlich nicht ansprechbar, deshalb war er überrascht, als sie fragte: «Kaffee?»
    «Ja, bitte.» Ihren Kaffee hatte er vermisst. Wenn er welchen kochte, war er entweder bitter oder viel zu dünn und wässrig.
    «Gut geschlafen?»
    «Prima.»
    «Wirklich?» Sie gab ihm einen Becher, den Kate vor Jahren auf einer Geburtstagsfeier angemalt hatte. Das orange Gesicht war vom vielen Spülen schon ganz verblichen. «Beth behauptet, die Couch sei ein mittelalterliches Folterinstrument.»
    Anns Schwester wusste, wovon sie redete. Jedes Mal, wenn er sich umgedreht hatte, hatte sich eine der Sprungfedern schmerzhaft in seine Rippen gebohrt. «Im Vergleich zu der Couch, die bei mir steht, ist sie himmlisch. Übrigens werde ich jetzt gleich mal rüberfahren und ein paar Sachen holen.»
    Sie deutete mit einem Nicken zum Fernseher, der leise im Wohnzimmer lief. «Sie berichten gerade von ersten Fällen in Mexiko.»
    Jetzt schon? Er hob den Becher, weil er nicht wollte, dass sie sein Gesicht sah. Mexiko war nicht weit weg. Es gab jede Menge Hin und Her zwischen Mexiko und den USA, von Menschen und von Tieren. Dann stimmten also die letztenPrognosen. Den Flugverkehr einzuschränken hatte nur geringe Auswirkungen darauf, wie schnell sich das Virus ausbreitete.
    Sie schenkte sich auch einen Kaffee ein und stellte die Kanne zurück auf die Wärmplatte. «Aber aus Ägypten gibt es noch keine Meldungen. Hat Shazia ihre Eltern erreicht?»
    «Nicht, dass ich wüsste.» Er trank einen Schluck Kaffee. Sie würde natürlich keine Sahne dahaben, aber Milch würde es auch tun.
    «Sie müssen vor Sorge vergehen. Na ja, vielleicht reden sie heute miteinander.» Sie nippte an ihrem Kaffee. «Wären Hamburger okay zum Abendessen?»
    «Klar.» Das hatte er ganz vergessen, ihre Art, lange im voraus zu entscheiden, was es zu essen geben sollte. Ihm war es gleich, was sie aßen. Schon immer, genau wie Ann immer das Bedürfnis gehabt hatte, sich ihren Tag genau einzuteilen. Es gab Zeitfenster für Besorgungen, fürs Wäschewaschen, für die Mahlzeiten. Es war ihre Art gewesen, mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter fertig zu werden. Er fragte sich, ob sich das nicht geändert hatte, jetzt, wo sie wieder voll arbeitete.
    Er nahm die Milch aus dem Kühlschrank. «Hast du noch Bargeld?»
    «Die Geldautomaten waren leergeräumt, als wir zur Bank kamen.»
    «Jetzt müssten sie wieder funktionieren. Wasser bringe ich auch gleich mit.»
    «Es war furchtbar gestern Abend.»
    «Klingt so.» Wenigstens hatte sie nur eine Prellung am Schienbein. Es hätte auch schlimmer kommen können.
    «Die Schießerei bei Kroger gestern   –» Sie schüttelte den Kopf. «In den Nachrichten haben sie gesagt, es ging um einen Parkplatz.»
    Er konnte es genauso wenig glauben wie sie. «Na ja, mittlerweilewird sich die Lage beruhigt haben.» Jetzt war er hier. Wenn jemand einkaufen ging, dann er. «Ann?»
    Sie sah ihn an.
    «Du weißt, dass wir den Mädchen nicht erlauben dürfen, mit ihren Freunden zu spielen.»
    «Die ganzen drei Monate, meinst du?»
    «Das müssen wir von Tag zu Tag neu entscheiden.»
    «Das wird hart für die beiden. Besonders für Kate.»
    «Besser als die Alternative.»
    Sie sah ihn über den Rand ihres Bechers an und nickte.
     
    Bis in Flughafennähe waren die Straßen ziemlich leer. Dann füllten sie sich. Autos wechselten von Spur zu Spur, Bremslichter leuchteten auf, vermutlich Studenten, die es eilig hatten, nach Hause zu kommen. Über den Himmel donnerte ein Flugzeug, dessen Lichter in der Dunkelheit rot und weiß blinkten. Peter verließ die Hauptstraße und setzte seine Fahrt durch Nebenstraßen fort. Hier schliefen noch fast alle, nur wenige Autos waren unterwegs. Gähnende Menschen standen an Bushaltestellen oder warteten an Hauswände gelehnt auf ihre Fahrgemeinschaft.
    Vor ihm erhob sich der Tower West gegen den lavendelfarbenen Himmel, das Schwarz nur vom Lichtstreifen um das

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