Die Luft, die du atmest
für Dads Medikamente nicht ersetzt», sagte Beth. «Die Versicherung wollte nur einen Monat übernehmen, und wir haben den Arzt gebeten, sich einzuschalten. Nicht mal das hat geholfen. Am Ende haben wir den vollen Preis bezahlt und hoffen nun, dass die Versicherung uns das Geld später erstattet. Das ist so was von nervig.»
«Und wie kommst du sonst zurecht? Haben die Geschäfte geöffnet? Hast du genug zu essen im Haus?»
Beth schnaufte. «Seit wann brauche ich was zu essen?»
Gute Frage. Ihre kleine Schwester schien von Diätgetränken und hastigen Mahlzeiten aus der Angestelltenkantine zu leben. In ihrem Kühlschrank fanden sich vermutlich höchstens eine uralte Packung Speisesoda und eine Plastiktüte mit verwelkten Möhren. «Du solltest dir Vorräte anlegen.»
«Keine Sorge. Mom könnte ein ganzes Heer ernähren. Aber deswegen rufe ich nicht an.»
Ann legte Kates Rollkragenpullover hin. «Was gibt’s? Geht’s Dad nicht gut?»
«Er hat ein bisschen Husten. Aber kein Fieber. Kann sein, dass es bloß eine Erkältung ist, aber ich fahre mit ihm zu seinem Onkologen. Ich wollte bloß, dass du Bescheid weißt.»
«Danke, das ist nett. Ruf mich nochmal an, wenn ihr wieder da seid, okay?»
«Mach ich. Hab dich lieb, große Schwester.»
Ann lächelte. Beth ließ sich keine Gelegenheit entgehen, sie damit zu necken, dass sie die ältere und daher hinfälligere der beiden Schwestern war. Sie waren nur vierzehn Monate auseinander, aber es war Beths Rache dafür, dass Ann sich, als sie klein waren, immer damit gebrüstet hatte, die Ältere zu sein und über alles bestimmen zu dürfen. Eines Tages war es Beth mit großer Schadenfreude aufgegangen, dass es nicht immer von Vorteil sein würde, älter zu sein, und seitdem rieb sie ihr das ständig unter die Nase. «Hab dich auch lieb.»
Ann legte auf und ging in die Küche. Aus dem Garten drang Lachen herein. Sie hörte Maddies Kichern und Kates Glucksen, und noch einen höheren Ton. Was war das? Ann sah aus dem Fenster. Kate machte einen Salto. Ann hatte ihr zigmal verboten, das zu tun, wenn kein Erwachsener dabei war, und trotzdem rollte sie sich jetzt hoch in der Luft zu einer kleinen Kugel zusammen. Maddie saß am Rand, klatschte und feuerte sie laut an. Kate landete mit ausgebreiteten Armen und taumelte rückwärts einem anderen Mädchen in die Arme.
Auf dem Trampolin sprangen
drei
Kinder auf und ab und rempelten gegeneinander. Sie rieb sich die Augen. Ja, da waren tatsächlich drei Mädchen. Ihr rutschte das Herz in die Hose. Wer war das dritte Kind?
Sie riss die Tür auf und trat auf die Terrasse hinaus. «Kate! Maddie! Kommt augenblicklich her!»
Kate hörte auf zu springen und sah zu ihr herüber, doch Maddie hüpfte einfach weiter, ohne auf sie zu achten, mit kräftigen, immer höheren Sprüngen. Und jetzt streckte sie dem dritten Kind auch noch die Hände entgegen.
«Madeline Ruth Brooks!» Ann marschierte über das Gras und klatschte in die Hände. «Ich zähle: eins!»
Maddie hielt so schnell inne, dass sie rückwärts gegen das Netz purzelte.
«Zwei!»
«Okay, okay, ich komme.»
Kate krabbelte bereits durch die Öffnung im Netz.
Die beiden Mädchen kamen auf sie zugelaufen und ließen das dritte auf dem Trampolin zurück, wo es unsicher umhertappte und schließlich die Finger durch die Maschen steckte und ihr Gesicht dagegenpresste, um Kate und Maddie nachzublicken. «Tag, Mrs. Brooks.»
Ann pochte das Herz bis zum Hals. «Du musst nach Hause gehen, Jodi. Du darfst nicht mehr bei uns Trampolin springen.»
«Warum nicht?»
«Haben deine Eltern dir das nicht erklärt?»
Jodi kletterte vom Trampolin.
«Mom», sagte Kate leise. «Ihre Eltern sind nicht da. Sie sind in Las Vegas. Ihre Großeltern passen auf sie auf.»
Jodi näherte sich Ann mit schleppenden Schritten.
«Es tut mir leid, Jodi», sagte Ann. Sie meinte es ehrlich. «Aber du musst nach Hause gehen.»
Das Kind zuckte die Achseln und ging.
«Wir rufen nachher mal an», sagte Kate.
Jodi hob eine Schulter und ließ sie wieder sinken.
Wütend wandte sich Kate Ann zu: «Warum musstest du so schreien? Das war so peinlich.»
Ann zog die Mädchen ins Haus und schob die Tür zu. Sie schloss hinter ihnen ab. «Was habt ihr euch bloß dabei gedacht? Ich habe euch gesagt, dass ihr mit niemandem spielen dürft.» Die Mädchen mochten Jodi nicht einmal. Warum spielten sie ausgerechnet jetzt mit ihr?
«Aber sie ist zu
uns
gekommen», protestierte Kate. «Was sollten wir machen – sie
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