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Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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ihren Krempel zurück, wenn sie umgebracht werden sollte? Warum hatten sie sie in einen anderen Laborraum gebracht?
    Sie hielt den kühlen Schraubenschlüssel auf den blauen Fleck in ihrer Ellenbeuge, der schon fast wie ein Pestfleck aussah. Sie drückte mit dem Daumen drauf und war froh, einen dumpfen Schmerz zu spüren, denn das zeigte ihr, dass es keiner war.
    Dann suchte sie den Raum noch einmal nach einer Kamera ab. Eigentlich rechnete sie damit, dass eine kleine Medi-Armee hereingestürzt kam, bevor sie die ganzen Geräte zerstören konnte, aber alles blieb still. Vom Flur her waren keine Schritte zu hören.
    Cinder rutschte vom Untersuchungstisch, ging zur Tür und versuchte, sie zu öffnen. Abgeschlossen. In den Rahmen war ein ID-Scanner eingelassen, aber er blieb rot, als sie ihr Handgelenk davorhielt, also musste er auf ausgewähltes Personal codiert worden sein.
    Sie ging zu den Schränken und zog an den Schubladen, aber keine ließ sich öffnen.
    Sie tippte mit dem Schraubenschlüssel gegen ihren Oberschenkel und stellte den Netscreen an. Ein holografisches Bild sprang ihr entgegen. Es war ihr medizinisches Diagramm, in zwei Hälften unterteilt.
    Sie zog den Schraubenschlüssel durch den Unterleib des Hologramms. Es flackerte, aber das Bild blieb gleich.
    Hinter ihr kam jemand herein. Cinder wirbelte herum, den Schraubenschlüssel eng an die Seite gepresst.
    Vor ihr stand ein alter Mann mit einer grauen Schirmmütze. In der linken Hand hielt er einen Portscreen, in der rechten zwei blutgefüllte Röhrchen. Er war kleiner als Cinder. Von seinen Schultern schlotterte ein weißer Laborkittel wie von einem Lehrskelett. Seine Falten ließen auf eine langjährige Auseinandersetzung mit sehr komplizierten Problemen schließen. Doch seine Augen waren blauer als der Himmel, und er lächelte sie an.
    Er wirkte auf Cinder wie ein Kind, dem beim Anblick eines süßen Brötchens das Wasser im Mund zusammenläuft.
    Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss.
    »Hallo, Linh-mèi.«
    Sie umklammerte den Schraubenschlüssel fester. Der ausländische Akzent. Die körperlose Stimme.
    »Ich bin Dr. Erland, der leitende Wissenschaftler des königlichen Letumose-Forschungsteams.«
    Sie zwang sich, ihre Schultern zu lockern. »Sollten Sie nicht besser eine Maske tragen?«
    Seine grauen Augenbrauen hoben sich. »Aber warum denn? Sind Sie krank?«
    Cinder knirschte mit den Zähnen und drückte den Schraubenschlüssel an den Oberschenkel.
    »Bitte setzen Sie sich. Ich muss ein paar wichtige Dinge mit Ihnen besprechen.«
    »Ach, jetzt wollen Sie sich plötzlich mit mir unterhalten«, sagte sie und ging ganz langsam auf ihn zu. »Ich hatte den Eindruck, dass Ihnen die Meinung Ihrer Versuchskaninchen ziemlich egal wäre.«
    »Sie unterscheiden sich etwas von unseren sonstigen Freiwilligen.«
    Cinder sah ihn direkt an. Das Metallwerkzeug erwärmte sich in ihrer Hand. »Vielleicht liegt das daran, dass ich keine Freiwillige bin.«
    Mit einer fließenden Bewegung hob sie den Arm und zielte auf seine Schläfe. Sie sah ihn schon auf den Boden fallen.
    Aber sie erstarrte, und vor ihren Augen verschwamm alles. Ihr Herzschlag verlangsamte sich, und der Adrenalinschub war vorüber, bevor ihr Netzhaut-Display sie warnen konnte.
    Klare Gedanken kristallisierten sich aus ihrer Benommenheit. Er war nur ein einfacher alter Mann. Ein zerbrechlicher, hilfloser alter Mann. Mit den süßesten, unschuldigsten blauen Augen, die sie je gesehen hatte. Sie wollte ihm doch gar nichts tun.
    Ihr Arm zitterte.
    Das kleine orangefarbene Licht ging an. Überrascht ließ sie den Schraubenschlüssel fallen. Er schlug auf dem gefliesten Boden auf, aber sie war zu benebelt, als dass es sie gekümmert hätte.
    Er hatte doch gar nichts gesagt. Wie konnte er dann lügen?
    Der Arzt hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Jetzt strahlte er und freute sich über Cinders Reaktion. »Bitte«, sagte er und lotste sie zum Untersuchungstisch. »Wollen Sie sich nicht setzen?«

11
    Cinder kniff die Augen zusammen und versuchte, wieder klar zu denken. Das orangefarbene Licht am Rand ihres Sichtfeldes verschwand – sie hatte absolut keine Ahnung, warum es geleuchtet hatte.
    Der elektrische Schock musste ihre Programmierung durcheinandergebracht haben.
    Der Doktor ging an ihr vorbei und deutete auf das holografische Bild, das aus dem Netscreen herausragte. »Bestimmt wissen Sie, was das hier ist«, sagte er und ließ den Finger am Bildschirm entlanggleiten, so dass sich der

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