Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
neben ihm stand. »Allein der Verkauf ihres Steuerelements würde die Entschädigung für die Familie abdecken.«
Dr. Erland versuchte, sie unbeeindruckt anzusehen, aber es gelang ihm nicht besonders gut, weil er den Kopf dabei in den Nacken legen musste. Brummelnd wandte er sich wieder dem Hologramm zu. Er tippte auf die Spitze des schimmernden Rückgrats, wo zwei Metallwirbel aufeinandertrafen, und vergrößerte den Ausschnitt. Was vorher nur ein kleiner Schatten gewesen war, stellte sich bei näherem Hinsehen als geometrische Form heraus.
Fateen kreuzte die Arme und beugte sich zu ihm herab. »Was ist das?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Dr. Erland und drehte das Bild, um es besser erkennen zu können.
»Sieht wie ein Chip aus«, sagte Li, der aufgestanden und herübergekommen war.
»In ihrer Wirbelsäule?«, fragte Fateen. »Wozu sollte der gut sein?«
»Ich habe nur gesagt, wonach es aussieht. Vielleicht haben sie bei den Wirbeln Mist gebaut und mussten sie aneinanderschweißen oder so.«
Fateen deutete auf etwas. »Das ist aber mehr als Schweißarbeit. Hier, das sieht aus, als ob sie an etwas angeschlossen …« Sie zögerte.
Beide sahen Dr. Erland an, der gerade einem kleinen grünen Pünktchen auf dem Hologramm mit den Augen folgte.
»Wie ein bösartiges Glühwürmchen«, murmelte er vor sich hin.
»Doktor«, sagte Fateen, und er wandte ihr wieder seine Aufmerksamkeit zu, »warum ist da ein Chip an ihr Nervensystem angeschlossen?«
Er räusperte sich. »Vielleicht«, sagte er und setzte sich eine Brille auf die Nase, »hat ihr Nervensystem irgendwann einen traumatischen Schaden erlitten.«
»Bei einem Hover-Unfall?«, fragte Li.
»Verletzungen an der Wirbelsäule waren relativ häufig, bevor Computer die Navigation der Hover übernommen haben.« Dr. Erland verkleinerte das Hologramm, so dass er den ganzen Oberkörper sehen konnte. Er kniff die Augen zusammen und fuhr mit flatternden Fingern das Bild ab.
»Wonach suchen Sie?«, fragte Fateen.
Dr. Erland ließ die Hand sinken und warf einen Blick auf das bewegungslose Mädchen auf der anderen Seite des Fensters. »Einer fehlt.«
Das Narbengewebe an ihrem Handgelenk. Der Schimmer des künstlichen Fußes. Das Schmierfett unter ihren Nägeln.
»Was?«, fragte Li. »Wer fehlt?«
Dr. Erland trat näher ans Fenster und stützte sich schwitzend auf der Arbeitsfläche ab. »Ein kleines grünes Glühwürmchen.«
Li und Fateen warfen sich hinter seinem Rücken Blicke zu, dann beugten sie sich über das Hologramm und begannen zu zählen, er leise, sie laut, bis Fateen bei Nummer zwölf steckenblieb und die Luft einsog.
»Eben ist einer verschwunden«, sagte sie und zeigte auf den Oberschenkel des Mädchens. »Ein Erreger, er war genau hier. Ich habe gerade hingesehen, als er verschwunden ist.«
Während sie auf das Hologramm starrten, flackerten zwei weitere Pünktchen und erloschen.
Li schnappte sich seinen Portscreen vom Tisch und trommelte mit den Fingern darauf. »Ihr Immunsystem dreht durch.«
Dr. Erland beugte sich über das Mikrofon. »Medi, bitte entnehmen Sie ihr eine weitere Blutprobe. Schnell!« Beim Klang seiner Stimme schreckte das Mädchen auf.
Fateen trat neben ihn ans Fenster. »Aber wir haben ihr das Gegenmittel doch noch gar nicht gegeben.«
»Nein.«
»Und wie …«
Dr. Erland kaute an seinen Nägeln. Er versuchte, sein Schwindelgefühl in den Griff zu bekommen. »Ich brauche zuerst die Blutprobe«, sagte er. Fast schien es, als hätte er Angst, die Augen von dem Cyborg abzuwenden. »Bringt sie in die Vier, wenn alle Mikroben verschwunden sind.«
»Die Vier ist aber kein Quarantäne-Labor«, wandte Li ein.
»Dann ist sie auch nicht mehr ansteckend.« Schon halb aus der Tür, schnipste Dr. Erland mit den Fingern. »Und der Medi soll sie losbinden.«
»Losbinden …« Fateen sah ihn ungläubig an. »Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist? Sie hat die Medidroiden angegriffen, erinnern Sie sich nicht?«
Li verschränkte die Arme. »Sie hat Recht. Ich würde jedenfalls nicht gerne in ihrer Nähe sein, wenn sie wütend wird.«
»Keine Sorge«, sagte Dr. Erland. »Ich werde unter vier Augen mit ihr sprechen.«
10
Cinder erschrak, als die geheimnisvolle Stimme noch eine Blutprobe vom Versuchskaninchen einforderte. Sie warf einen wütenden Blick auf den Spiegel und ignorierte den Medidroiden, der mit roboterhafter Effizienz eine neue Nadel vorbereitete.
Sie würgte. »Wie lange noch, bevor ich dieses
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