Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
darauf, dass der Lärm nur von einer Bohrmaschine stammen konnte.
Wahrscheinlich Reparaturarbeiten an den Zellen.
Das Geräusch verstummte, auch wenn es ihm in den Ohren nachklang und die Wände noch zu vibrieren schienen. Thornes Zelle war ein perfekter Würfel mit schimmernden weißen Wandpaneelen, einer schneeweißen Liege, einem Urinal, das auf Knopfdruck aus der Wand glitt und wieder darin verschwand – und ihm selbst in seiner weißen Gefängnisuniform.
Falls renoviert wurde, so hoffte er, dass seine Zelle als Nächstes dran war.
Das Geräusch setzte wieder ein, diesmal knirschte es noch lauter und dann durchstieß ein langer Bohraufsatz die Decke und eine Schraube fiel klirrend auf den Zellenboden. Drei weitere folgten ihr. Eine rollte unter Thornes Feldbett.
Einen Augenblick darauf krachte eine quadratische weiße Platte herab. Durchs Loch baumelten zwei Beine, die in einem weißen Overall steckten, doch die Füße waren – im Gegensatz zu Thornes – nackt.
Einer war aus Haut und Knochen.
Der andere aus reflektierendem Metall.
Mit einem kehligen Schrei landete ein Mädchen mitten in seiner Zelle.
Die Ellenbogen auf die Knie gestützt beugte sich Thorne vor, um sie aus seiner sicheren Position besser sehen zu können. Sie war schmal gebaut, hatte gebräunte Haut und glattes braunes Haar. Ihre linke Hand war wie der linke Fuß aus Metall.
Das Mädchen fand sein Gleichgewicht wieder, stand auf und klopfte sich den Staub vom Overall.
»Es tut mir leid«, sagte Thorne.
Mit wildem Blick wirbelte sie zu ihm herum.
»Es kommt mir so vor, als wärst du in der falschen Zelle gelandet. Soll ich dir verraten, wie du in deine zurückkommst?«
Sie kniff die Augen zusammen.
Thorne lächelte.
Das Mädchen runzelte die Stirn.
Thorne fand, dass sie hübscher wurde, wenn sie so zornig war, stützte das Kinn in die Hand und musterte sie unverhohlen. Er hatte noch nie zuvor Bekanntschaft mit einem Cyborg gemacht, geschweige denn mit einem geflirtet, aber irgendwann war immer das erste Mal.
»Eigentlich sollten diese Zellen leer stehen«, sagte sie.
»Außergewöhnliche Umstände.«
Sie musterte ihn eine ganze Weile mit gerunzelten Brauen. »Mord?«
Er grinste breit. »Danke für die Blumen, aber das nun auch wieder nicht. Ich habe beim Hofgang einen Aufstand angezettelt.« Er nestelte an seinem Overall, bevor er fortfuhr: »Wegen der Seife.«
Das schien sie zu verwirren, aber sie blieb wachsam.
»Die Seife«, begann er wieder und fragte sich, ob sie überhaupt zugehört hatte, »trocknet meine Haut aus.«
Sie sagte nichts.
»Ich habe empfindliche Haut.«
Er erwartete etwas Mitfühlendes, aber es kam nur ein desinteressiertes »Hm«.
Sie trat gegen die heruntergefallene Bodenplatte und sah sich in der Zelle um. »So was Beklopptes«, murmelte sie, ging an Thorne vorbei zur Wand und lehnte sich dagegen. »Es ist eine Zelle weiter.«
Plötzlich flatterten ihre Wimpern, als hätte sie Staub in die Augen bekommen, und sie hieb sich mit der flachen Hand ein paarmal gegen die Schläfen.
»Du willst wohl fliehen.«
»Nicht in dieser Sekunde«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen und schüttelte heftig den Kopf. »Aber im Prinzip trifft das zu.« Ihre Miene hellte sich auf, als sie den Port in seinem Schoß entdeckte. »Was ist das für einer?«
»Das darfst du mich nicht fragen.« Er reichte ihn dem Mädchen hinüber. »Ich bin gerade bei einer Bestandsaufnahme aller Frauen, die ich irgendwann mal geliebt habe.«
Sie schnappte sich den Portscreen und drehte ihn um. Die Kuppe eines ihrer Cyborg-Finger öffnete sich, ein kleiner Schraubenzieher kam zum Vorschein und schon hatte sie die Abdeckung des Geräts abgeschraubt.
»Was machst du da?«
»Ich brauche das Videokabel.«
»Wofür?«
»Meins ist kaputt.«
Sie zog ein gelbes Kabel aus dem Portscreen, warf Thorne das Gerät in den Schoß und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Thorne sah ihr verblüfft zu, als sie den Kopf zur Seite neigte und eine Klappe an ihrem Hinterkopf öffnete. Einen Moment später hielt sie ein Kabel zwischen den Fingern, das dem aus dem Port ähnelte, abgesehen von einem schwarzen Ende. Das Mädchen steckte konzentriert das neue Kabel ein.
Erfreut schloss sie die Klappe und warf Thorne das alte Kabel zu. »Danke.«
Er wich entsetzt vor dem Kabel zurück. »Hast du einen Portscreen im Kopf?«
»So was Ähnliches.« Das Mädchen stand auf und tastete die Wand ab. »Ja, das ist schon besser. Und wie komme ich
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