Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
stand etwa fünf Meter vom Bug des Schiffs entfernt. Seine Haltung erschien ihr eher abwartend als aggressiv, aber er hatte auch nicht gefährlich ausgesehen, als er Roland in den Schwitzkasten genommen hatte.
»Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht«, sagte er so leise, dass sie seine Worte kaum verstehen konnte.
Sie ärgerte sich über ihre Nervosität, aber sie wusste einfach nicht, ob sie Angst vor ihm haben oder sich geschmeichelt fühlen sollte.
»Mir geht es jedenfalls besser als Roland«, sagte sie. »Er hatte schon die ersten blauen Flecken am Hals, als ich gegangen bin.«
Er warf einen Blick auf die Küchentür. »Damit ist er noch gut bedient.«
Normalerweise hätte sie das zum Lachen gebracht, aber nach all der Wut und Frustration dieses Nachmittags hatte sie keine Energie mehr. Noch nicht einmal zum Lachen. »Es wäre besser gewesen, wenn du dich rausgehalten hättest; ich hatte alles im Griff.«
»Ganz offensichtlich.« Er warf ihr einen Seitenblick zu, als versuchte er, ein Rätsel zu lösen. »Ich hab nur Angst gehabt, dass du die Pistole ziehen würdest. Und das wäre nicht besonders hilfreich gewesen. Was das Nicht-Verrücktsein angeht, meine ich.«
Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Scarlet tastete instinktiv in ihrem Kreuz nach der Pistole, die warm auf ihrer Haut lag. Ihre Großmutter hatte sie ihr zum elften Geburtstag mit der paranoiden Warnung geschenkt: Nur für den Fall, dass du entführt wirst. Sie hatte Scarlet beigebracht, wie man mit der Pistole umging, und seitdem verließ Scarlet das Haus nie mehr ohne die Waffe, so albern ihr das auch vorkam.
Das war jetzt sieben Jahre her und sie war ziemlich sicher, dass die Pistole, die sie wie immer unter ihrem roten Kapuzenpulli verbarg, nie irgendwem aufgefallen war. Bis heute.
»Woher weißt du das?«
Er zuckte die Achseln – jedenfalls hätte man die Geste so deuten können, wenn sie nicht so verkrampft und ruckartig gewesen wäre. »Ich hab den Griff gesehen, als du auf den Tresen geklettert bist.«
Scarlet schob die Hand unter den Pulli, um die Pistole tiefer in den Hosenbund zu stecken. Sie versuchte ruhig zu atmen, aber der Gestank nach scharf angebratenen Zwiebeln und vergammelnden Küchenabfällen war zu stechend.
»Vielen Dank, das ist echt nett, aber mir geht’s gut. Und jetzt muss ich los – ich bin spät dran mit meinen Lieferungen und … allem.« Sie ging auf die Pilotentür zu.
»Gibt es noch Tomaten?« Der Kämpfer sah sie geduckt aus dem Schatten an. »Ich hab nämlich immer noch Hunger«, murmelte er.
Scarlet glaubte fast, die zermanschten Tomaten an der Wand hinter ihm riechen zu können.
»Ich kann auch bezahlen«, fügte er schnell hinzu.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das geht schon in Ordnung. Wir haben mehr als genug.« Sie wich zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen, und öffnete die Heckluke. Dann nahm sie eine Fleischtomate und einen Bund Karotten heraus. »Hier, die schmecken roh auch gut«, sagte sie und warf sie ihm zu.
Er fing sie mühelos auf und ließ die Tomate in einer Pranke verschwinden, während er die Möhren in der anderen Hand hielt. Er betrachtete sie prüfend von allen Seiten und fragte schließlich: »Was ist das?«
Sie lachte überrascht. »Wie bitte? Das sind Möhren!«
Wieder schien es ihm peinlich zu sein, dass er etwas Ungewöhnliches gesagt hatte. Er zog die Schultern ein, als wollte er sich kleiner machen. »Danke.«
»Deine Mutter hat wohl keinen Wert darauf gelegt, dass du Gemüse isst?«
Sie sahen sich an und waren plötzlich beide verlegen. In der Kneipe ging irgendwas zu Bruch, dann hörte man Gelächter.
»Macht ja nichts. Sie sind wirklich lecker.« Sie schloss die Luke, ging wieder zur Pilotentür und zog ihre ID über den Scanner des Schiffs, worauf sich die Tür öffnete. Die Scheinwerfer leuchteten auf. Im hellen Licht schien sein Veilchen noch dunkler als vorhin. Er fuhr zusammen wie ein Krimineller im Kegel eines Suchscheinwerfers.
»Ich frag mich, ob du vielleicht einen Landarbeiter gebrauchen kannst«, sprudelte es so schnell aus ihm heraus, dass die Worte kaum zu verstehen waren.
Nun begriff Scarlet endlich, warum er auf sie gewartet und dann so lange herumgedruckst hatte. Sie taxierte seine breiten Schultern und die kräftigen Oberarme – er war für körperliche Arbeit wie geschaffen. »Du suchst Arbeit?«
Ein schiefes Lächeln – und jetzt sah er gefährlich aus. »Kämpfen wird zwar ordentlich bezahlt, macht sich aber
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