Die Lust des Bösen
Kribbeln, diese Leidenschaft ewig hielten. Aber das taten sie nicht – es war nur die Phase der Verliebtheit. Aber erst das, was dann folgte, war das, was man sich eigentlich wünschte.
»Es ist die verwandte Seele, die man finden will, mit der man alles teilen kann, die weiß, was man denkt und wie man tickt«, murmelte Lea leise vor sich hin.
Ja, sie hatte verstanden. Erst der schmerzliche Verlust, den Patrizia erlitten hatte, hatte ihr die Augen geöffnet: Liebe war eine Beziehung, in der man den anderen auch ohne Worte verstand.
»Und glaube mir, wenn du diese verwandte Seele gefunden hast, dann wird es keine Fragen, keine Zweifel und keine Verletzungen mehr geben«, sagte sie zu ihrer Freundin, aber es war wohl mehr eine Bestätigung für sie selbst.
»Das hast du schön gesagt«, schluchzte Patrizia, die sich inzwischen wieder etwas gefangen hatte.
»Aber ich weiß auch«, ergänzte die Profilerin, »wie schwer das ist.« Ihr ganzes Leben war sie nur dem schnellen Kick hinterhergelaufen, dem heißen Sex, der grenzenlosen Leidenschaft. Auch wenn sie das, was sie eigentlich suchte, bisher nie erlebt hatte, so ging es doch immer nur um das Eine. Immer dann, wenn der Sex nicht mehr so leidenschaftlich und fantasievoll war wie am ersten Tag, war sie eingeknickt oder davongelaufen, weil sie glaubte, die Liebe sei erloschen.
Sehnsuchtsvoll dachte sie daran, was sie wollte, aber bisher nicht geschafft hatte: eine Beziehung zu haben, in der der Partner eben nicht nur Geliebter, sondern auch Freund war.
»Ich verstehe dich nur zu gut«, meinte Patrizia. »Die ganze Zeit über haben wir nur über mich und meine Probleme gespro chen. Wie geht es dir eigentlich? Und was macht dieser Politiker, zu dem du dich an jenem Abend unbedingt durchkämpfen wolltest – Jack Braun?«
»Ich glaube nicht, dass das schon so weit ist, dass wir darüber reden müssten«, wiegelte Lea ab und grinste.
Aber Patrizia erkannte sofort an ihrem Gesichtsausdruck, dass da mehr war, als sie zugeben wollte. Doch sie spürte auch, dass jetzt nicht die Zeit dafür war, mit ihrer Freundin darüber zu reden. Sie wusste, warum Lea in Rapperswil-Jona gewesen war.
Sie legte ihren Arm um ihre Freundin, und es schien, als habe sie wieder einiges von ihrer alten Stärke und ihrem Optimismus zurückgewonnen. »Aber wir schaffen das, wir zwei, wir lassen uns nicht unterkriegen!«
»Ganz genau«, versicherte Lea kämpferisch.
»Aber sag mal, was ist denn jetzt mit der Villa Roseck?«
»Ja, das ist in der Tat ein großes Problem«, bestätigte Lea bedrückt.
»Meine Tante hat mir Roseck vererbt, weil sie wusste, wie wohl ich mich dort immer gefühlt habe. Aber jetzt weiß ich einfach nicht weiter. Ich weiß nicht, wie ich die Villa halten soll. Der Unterhalt ist einfach zu teuer, Strom, Wasser, Müll, Steuern, der Gärtner und die Reparaturen, die sich in den letzten Jahren aufgestaut haben … Die Villa braucht dringend neue Fenster, denn die alten sind einfach nicht mehr dicht und lassen viel zu viel Wärme nach außen dringen.«
Lea klang verzweifelt.
»Mensch!« Patrizia sprang auf. »Ich habe da eine Idee, eine verrückte, aber eine gute, wie ich glaube. Was hältst du davon, wenn wir eine Pension aus der Villa machen? Es war schon immer mein Traum, einmal in meinem Leben etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Und von der Hotellerie und vom Kochen verstehe ich etwas, das habe ich schließlich gelernt. Und wenn die Scheidung durch ist, werde ich von Klaus einen Batzen Geld bekommen. Wie du weißt, ist er nicht unvermögend und verdient hervorragend mit seinen Unternehmenssanierungen oder besser gesagt damit, dass er Menschen vor die Tür setzt. Ich denke, das wäre eine prima Gelegenheit: Klaus soll mir die Kohle für die Sanierung von Roseck einfach vorschießen, und ich biete ihm dafür ein regelmäßiges Besuchsrecht für die Kinder. Das ist doch ein fairer Deal! Dann könnten wir die sieben Zimmer schön herrichten, und wir veranstalten wieder Literaturabende im Kaminzimmer! Wir lassen das, was deiner Tante Annelie immer so am Herzen gelegen hat, wieder aufleben. Das würde ihr sicher gefallen.«
Perplex schaute Lea ihre Freundin an. »Ist das dein Ernst?«
»Ja, glaube mir, so ernst war es mir noch nie. Es wäre für mich ein Neuanfang, ich nehme die Kinder mit, und wenn ich Lust und Laune habe, dann koche ich auch mal für unsere erlesenen Gäste!«
Patrizia hatte die Leidenschaft gepackt, und die Freundin hatte gar keine Wahl, sie
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