Die Lust des Bösen
war erleichtert.
»Ich danke dir, Max, du weißt gar nicht, wie froh ich bin.« Erleichtert steckte Lea das Handy in die Tasche.
Am Abend dieses Tages war sie wieder zurück in Berlin. Sie wartete in dem kleinen Café auf ihre Freundin, die sich gewiss mal wieder verspäten würde. Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als sich zu ihrer Überraschung die Tür öffnete und Patrizia hereinkam. Sie sah müde, blass und abgespannt aus, und ihre sonst vor Energie sprühenden Augen waren gerötet von den vielen Tränen, die sie in den letzten Tagen vergossen hatte. Offenbar hatte sie ein paar Kilo abgenommen, und das, obwohl sie doch schon eine so zarte und zerbrechliche Person war. Lea wollte ihre Freundin gerade überschwänglich begrüßen, aber als sie das Häufchen Elend sah, bremste sie sich gerade noch rechtzeitig. So gab sie ihr nach Schweizer Brauch drei Küsschen auf die Wangen und setzte sich auf das rote Plüschsofa.
»Dieser Mistkerl«, platzte Patrizia schließlich heraus und schüttete Lea ihr Herz aus: Ein paar Tage war es erst her, dass Klaus sein Handy auf dem Esstisch im Wohnzimmer vergessen hatte. Plötzlich hatte es gepiept und vibriert. Eigentlich war es nicht Patrizias Art, ihrem Mann hinterher zu schnüffeln, aber in diesem Moment hatte sie einfach nicht anders gekonnt. Sie sah die SMS auf dem Display aufblinken und las: »Ich vermisse dich, mein Schatz, die letzte Nacht war wunderschön. Ich küsse dich, du weißt schon, überall dorthin, wo du es am liebsten hast, deine Mandy.«
Es hatte eine Weile gedauert, bis die Worte voll in ihr Bewusst sein gedrungen waren. Aber als sie begriff, was sie bedeuteten, begann sie am ganzen Körper zu zittern. Klaus betrog sie!
Der Schock dieser Erkenntnis hatte ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Nie hätte sie so etwas für möglich gehalten, war sie doch überzeugt gewesen, eine glückliche Ehe zu führen. Wut, Schmerz, Enttäuschung und Selbstzweifel machten sich breit, aber auch Eifersucht auf die große Unbekannte.
Auch Lea war einigermaßen schockiert: Patrizia, Klaus und die beiden Kinder waren für sie doch immer eine Musterfamilie und ihr Vorbild für eine glückliche Ehe gewesen. Der Beweis dafür, dass es funktionieren konnte! Und plötzlich war alles aus und vorbei. Es war wie in einem dieser kitschigen Filme, wo der Mann seine Frau betrügt – aber leider konnte man hier nicht den Aus-Schalter betätigen, weil einem die Handlung nicht gefiel! Man blieb gefangen in einem Melodram.
Für Patrizia war an jenem Tag eine Welt zusammengebro chen; nie hatte sie auch nur den leisesten Zweifel daran gehabt, dass Klaus sie liebte und dass sie eine glückliche Familie waren. Was hatte sie falsch gemacht? Hatte sich etwas verändert, hatte Klaus sich verändert? Verzweifelt versuchte sie eine Antwort zu finden, aber es gelang ihr nicht.
Sie war mit den Kindern zu Hause geblieben, während Klaus Karriere gemacht hatte. Häufig war der Sechundvierzigjährige, der sich in vielen Insolvenzverfahren als Unternehmenssanierer hervorgetan und einige eindrucksvolle Erfolge erzielt hatte, spät oder gar nicht nach Hause gekommen. Es war erst einige Jahre her, dass er noch Chef des Energieunternehmens EnVW gewesen war und als solcher ein bekanntes, präsentes Gesicht in der deutschen Medienlandschaft. Damals war er viel unterwegs und Dauergast in Talkshows und Pressekonferenzen gewesen.
Und Patrizia?
Sie hatte sich um die Kinder gekümmert, ihm den Rücken frei gehalten, und hatte bei all dem Rummel um seine Person für etwas Normalität und Beständigkeit gesorgt. Das alles hatte sie gern getan, denn sie war auch stolz auf ihren Klaus, der es so weit gebracht hatte. Und schließlich hatte es ihr auch wirtschaftlich einige Unabhängigkeit beschert. Dafür war sie ihm dankbar. Aber es hatte auch harte Zeiten gegeben – Zeiten, in denen sie von der Presse gehetzt und diffamiert worden waren, denn Klaus hatte mit seinem Auftreten schon immer provoziert, und dementsprechend hart fielen die Reaktionen der Presse aus. Einen »Rambo« oder »Energiebaron« hatten sie ihn genannt, und das waren noch die harmloseren Bezeichnungen. Die ganzen Anfeindungen und Verleumdungen waren letztlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen – er warf das Handtuch, auch um seine Familie zu schützen, die dem ständigen Druck einfach nicht mehr gewachsen war. Anschließend hatte er die Unternehmensberatung gegründet.
»Respekt muss man sich erarbeiten, Mitleid
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