Die Lust des Bösen
konnte jetzt nicht einfach Nein sagen und ihr die Hoffnung auf diesen Neuanfang und ihren Elan nehmen.
»Aber du weißt, dass das viel Arbeit ist, die da auf dich zukommt«, versuchte Lea sie ein wenig aus ihrer flammenden Begeisterung in die Realität zurückzuholen.
»Ja, kein Problem, ich sehe es schon genau vor mir: Im Wintergarten könnten wir ein kleines, aber sehr feines Lokal einrichten. Mit zehn Plätzen maximal, du weißt ja, dass ich gerne koche. Was sagst du dazu?«, fragte Patrizia noch immer begeistert.
»Na, wenn dein Herz so daran hängt, meinetwegen! Da fällt mir noch etwas ein«, meinte Lea und lächelte. »Im Esszimmer steht noch der alte schwarze Konzertflügel von Tante Annelie. Du spielst doch so gerne Klavier. Vielleicht kannst du ihn ab und zu mal zum Leben erwecken.«
»Na klar, das ist doch Ehrensache.«
Und während sie Pläne schmiedeten, vergaßen sie vollkommen, ihren Kaffee zu trinken, der schon kalt wurde.
»Mensch, das ist ja wie in alten Zeiten. Ich freue mich«, bemerkte Lea, »dass es dir schon wieder besser geht. Mir gefallen dein Tatendrang und deine Power, mit der du durchs Leben gehst, das habe ich immer sehr an dir bewundert. Es ist schön zu sehen, dass die Powerfrau wieder da ist.«
J ack war frei, und doch kreisten seine Gedanken oft um Lea und ihr Misstrauen. Obwohl sie ihn damals nicht verhaftet hatte, hatte sie doch geglaubt, dass er der Täter sein könnte. Das tat weh. Er wusste nicht, ob er ihr je wieder vertrauen konnte.
Gleich würde er ins Berliner Hotel Interconti gehen, zu einer dieser Wohltätigkeitsveranstaltungen. Wie viel lieber hätte er jetzt mit Lea gesprochen. Aber dieses Mal hatte er nicht absagen können, war doch der Veranstalter der Privatbankier Robert Hausmann persönlich, einer seiner wichtigsten Förderer und ein langjähriger Freund der Familie. Lange schon waren die Schicksale ihrer Familien eng miteinander verquickt. Es schien ein unsichtbares Band zwischen ihnen zu geben, das sie vereinte, in guten wie in schlechten Zeiten.
Er dachte an die Geschichte seines Onkels Oskar, der in der Zeit des Nationalsozialismus seinen Freund Friedrich Hausmann vor dem sicheren Tod durch eine Deportation in eines der Konzentrationslager bewahrt hatte. Damals hatte er seine schützende Hand über ihn gehalten.
Das erste Mal waren sich die beiden Männer auf einer Veranstaltung der Nationalsozialistischen Partei im Herbst 1939 begegnet. Es war eine dieser Partys, die die Partei hin und wieder für die Wirtschaftsbosse organisierte, um sie bei Laune zu halten. Schließlich war es auch die Unterstützung von Wirtschaft und Industrie gewesen, die die Nationalsozialisten damals an die Macht gebracht hatte.
Unter den Sponsoren waren so prominente Wirtschaftsbosse wie Fritz Thyssen und Albert Vögler, Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke, die die Nazipartei finanziert hatten. Jacks Onkel und der Banker waren sich sofort sympathisch gewesen, und während eines längeren Gesprächs bei einigen Gläsern Rotwein und Zigarre hatten sie gespürt, dass sie auf der gleichen Wellenlänge lagen. Es sollte der Beginn einer langjährigen Freundschaft werden.
Wenige Wochen später, in der Nacht, bevor Friedrich dann im Zuge der »Endlösung« deportiert werden sollte, hatte Oskar seinen Freund gewarnt, der das Geschäft unverzüglich in dessen Hände legte. Jacks Onkel wurde zum »arischen Teilhaber«, der die Bank unter seinem Namen weiterführte.
Währenddessen versteckte Oskar seinen Freund Friedrich zunächst einige Zeit bei seinen Großeltern auf dem Land, bis sich die Lage wieder etwas beruhigt hatte und er nach England emigrierte. Erst nach Kriegsende kehrte der Banker nach Deutschland zurück.
Ein Teil des Familienvermögens war unter der Ägide Hitlers verstaatlicht worden, aber den anderen Teil hatte Oskar für Hausmann gerettet. Als Friedrich dann die Leitung der Bank wieder übernahm, sah es zunächst nicht gut aus. Lange Zeit war unklar, ob sie es schaffen würden. Aber er brachte es fertig, den alten Dampfer »Privatbank Hausmann« wieder flottzumachen. In den folgenden Jahren zog er sich dann nach und nach aus dem aktiven Geschäft zurück und übergab seinem Sohn Robert die Geschicke der Bank.
Jack bewunderte die Hausmanns für ihren Mut, ihre Courage und dafür, dass sie sich nie hatten unterkriegen lassen. Wie einen Phoenix hatte Robert das Geldhaus aus der Asche des Krieges wieder aufsteigen lassen und zu der privaten Vorzeigebank gemacht,
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