Die Lust des Bösen
er empört geschrien.
»Ja, das ist alles, was dich interessiert! Dreh ruhig den Spieß rum. Aber es geht hier nicht um mich, es geht um dich und darum, dass du nicht ehrlich bist.«
Nachdem sie ihrer Wut Luft gemacht hatte, war es die reine Verzweiflung, die aus ihr herausbrach. Patrizia konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken. Sie flossen einfach.
K laus hatte dagestanden, bewegungs- und hilflos, und nicht gewusst, was er tun sollte. In diesem Augenblick hatte es ihm leidgetan, das hatte er nicht gewollt. Er, der große Rationale, der immer alles analysierte, war plötzlich von seinen Gefühlen überwältigt. Denn seine Frau so zu sehen, tat ihm weh. Nie hatte er ihr Schmerz zufügen wollen. Das war nie seine Absicht gewesen. Er hatte sich einfach nur mal wieder richtig amüsieren wollen, und ja, da war dann auch der Reiz des Neuen gewesen. In den vergangen zehn Ehejahren war eben so manches eingeschlafen und zur Routine geworden. So auch der Sex. Er wollte mal wieder einen Kick, etwas Neues ausprobieren, ohne vorher schon zu wissen, wie der andere Körper reagierte. Und vielleicht war es auch sein sexuelles Selbstbewusstsein, das mal wieder aufpoliert werden wollte. Wie lange schon hatte ihm seine Frau diese Bestätigung nicht mehr gegeben? Nie hatte sie ihm gesagt, dass er ein guter Liebhaber war. Überhaupt hatten sie nie viel über Sex gesprochen.
»Hör mal, mein Schatz, es ist nicht so, wie du glaubst.«
»Nein, das ist es nie«, hatte sie geschluchzt.
»Es war eine einmalige Affäre.«
»Ach, und dann schreibt sie dir so eine SMS?«
»Na ja, vielleicht waren es zwei oder drei Nächte, ich weiß es nicht mehr genau, es hat mir auch nichts bedeutet!«
»Ach, und weil es dir nichts bedeutet, hast du mit ihr geschlafen? Was glaubst du, wer du bist?«, schrie sie ihn damals zornig an.
»Ich weiß, du bist jetzt wütend, aber lass uns doch über alles reden«, hatte ihr Mann gebeten, der sich inzwischen wieder auf seiner altvertrauten, sachlichen, abgeklärten, rationalen Ebene befand.
»Nein«, schleuderte sie ihm entgegen, und jetzt war sie diejenige, die sich nicht mehr beruhigen konnte, »da gibt es nichts zu reden.«
Außer sich vor Wut hatte sie ihn angebrüllt: »Pack deine Sachen und geh!«
»Dann ist Klaus gegangen, und es kam die schlimmste Zeit für mich«, erzählte sie ihrer Freundin unter Tränen.
Sie war allein gewesen. Es war die Zeit gekommen, in der sie realisierte, dass ihre Träume gescheitert waren und ihr Leben im Begriff war auseinanderzubrechen. Nichts war mehr so, wie es einmal gewesen war. Sie waren keine kleine glückliche Familie mehr. Patrizia musste sich eingestehen, dass die Gefühle ihres Mannes für sie nie so gewesen waren, wie er es ihr immer wieder versichert hatte – und dass er sie die ganze Zeit über belogen und betrogen hatte. Aber das Schlimmste war, dass er nicht einmal den Mumm hatte, es ihr zu sagen. Vielleicht hätte sie ihm seine Affäre verziehen, wenn er offen und ehrlich mit ihr umgegangen wäre. Aber so? Das bedingungslose Vertrauen, Grundlage einer jeden guten Beziehung, war weg. Sie würde ihn nie mehr so ansehen können wie vorher. Sie würde künftig alles, was er sagen würde, hinterfragen. Oder vielleicht würde sie ihm sogar zwanghaft nachschnüffeln, seine Post, seine Mails oder sein Handy kontrollieren. Eine grauenhafte Vorstellung. Warum nur waren Männer so erbärmliche Feiglinge? Warum nur logen sie lieber, als Probleme anzusprechen und zu lösen?
»Das ist eine Frage, die auch ich mir schon häufig gestellt habe«, bekannte Lea. »Das Tröstliche ist, dass du nicht die Einzige bist, die eine solche Erfahrung macht. Ich bin sicher, dass trotz all der Verzweiflung, die du momentan fühlst, auch wieder eine bessere Zeit kommt, eine Zeit, in der du vielleicht sogar lachend hierauf zurückblicken wirst und dir sagst: Es ist gut so, dass alles so gekommen ist, es sollte so sein. Dann, wenn du einen neuen Menschen gefunden hast, der zu dir passt, der ehrlich und aufrichtig mit dir umgeht, eine verwandte Seele – denn darum geht es doch eigentlich in der Liebe«, bemerkte Lea nachdenklich.
Und während sie ihren eigenen Worten lauschte, erkannte sie, wie sehr sie doch die ganze Zeit selbst entgegen dieser Erkenntnis gelebt hatte. Natürlich ging es auch um Sex, Leidenschaft und um das Kribbeln im Bauch. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie die ganzen letzten Jahre hinter etwas her war, was es nicht gab – sie wollte, dass dieses
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