Die Lust des Bösen
und lächelte.
Inzwischen war mehr als eine Stunde vergangen. Lukas hatte sich im Wartezimmer niedergelassen, aber an ein Nickerchen war nicht zu denken.
Er war müde, acht Stunden nonstop war er mit seinem LKW unterwegs gewesen. Gern hätte er sich jetzt mit einem kühlen Bier in die Schlafkoje seines Trucks zurückgezogen. Aber er saß hier, unter dem grellen Neonlicht der Notaufnahme, und war zu gestresst, als dass er hätte schlafen können.
Dieser Lärm, diese Hektik, diese Menschen und die brütende Hitze – das war einfach zu viel. Da bevorzugte er doch die Ruhe und die Einsamkeit, die ihn umfingen, wenn er mit seinem LKW unterwegs war. Allein, ganz für sich und mit einem Unterhaltungsprogramm, das er selbst auswählen konnte. Aber hier war das anders. Die Schwestern, Sanitäter und Pfleger liefen pausenlos hektisch und geschäftig umher.
Hier brüllte jemand: »Wann komme ich endlich dran?«, dort schrie ein Kind, und da jammerte ein Patient, weil seine Schmerzen unerträglich wurden. All das schien die Schwestern und die ab und an vorbeihuschenden Ärzte nicht aus der Ruhe zu bringen.
Ein solcher Job wäre nichts für den so hart wirkenden Trucker gewesen. Denn trotz seiner rauen Schale hatte er ein weiches Herz. Und genau deshalb wurde er jetzt zunehmend unruhig. Er konnte es nicht länger ertragen, dieses weinende Baby im Arm der kleinen blonden Frau. Ein paar Mal schon hatte er ihr angeboten, sich doch hinzusetzen. Aber sie wollte nicht. Unruhig tigerte die junge Mutter mit ihrem Säugling durch den kleinen Raum der Notaufnahme. Eine kräftige Stimme hatte der Kleine, aber nicht nur die Nerven von Lukas waren allmählich am Ende, sondern auch die Geduld der anderen wartenden Patienten schien erschöpft. Jetzt reichte es ihm. Es musste doch mal einer vorbeikommen, der sich der Frau und des Kindes annehmen konnte.
»Hallo«, rief er jetzt durch den unbesetzten Schalter der Notaufnahme.
»Moment«, hörte er dann doch endlich eine Stimme.
»Hier ist eine junge Frau, die …«, versuchte er zu erklären.
»Ich weiß«, entgegnete der Assistenzarzt, ein junger, drahtiger Mann mit Brille, weißem Kittel und strengem Blick, etwas gelangweilt. »Hier sind viele Patienten, aber wir können nur einen nach dem anderen aufnehmen.«
»Sie wartet schon eine geschlagene Stunde«, gab Lukas verärgert zurück, »ohne dass sich etwas getan hätte. Und ihrem Baby geht es auch immer schlechter.«
»Okay, kommen Sie«, winkte der Assistenzarzt die Frau jetzt heran.
»Wie ist Ihr Name?«
»Hilde.«
Anhand eines Fragenkatalogs arbeitete er sich schließlich durch die Krankengeschichte des Säuglings.
»Normalerweise geht es schneller«, erklärte er dem Trucker. »Aber heute ist die Notaufnahme einfach zu voll. Wir haben keine Kapazitäten mehr.«
»Und deshalb dauert es über eine Stunde?« Lukas war sichtlich empört.
»Ja, deshalb dauert es heute länger!« Der junge Mediziner ließ sich nicht aus der Ruhe bringen – auch nicht von diesem ungepflegten Muskelpaket, das sich jetzt bedrohlich vor seinem Schalter aufbaute.
Lukas war stinksauer, bemühte sich aber, ruhig zu bleiben, da er sonst explodieren würde. Und schließlich war er froh, dass jetzt endlich einmal etwas passierte.
Was ihn jetzt brennend interessierte: Wie ging es seiner kleinen Bikerbraut?
Das konnte doch nicht wahr sein, dass man so lange warten musste, bis man hier mal eine Information bekam. Er ballte verärgert die Fäuste. Ganz gewiss hatten sie ihn einfach vergessen. Und den gestressten Anfänger am Schalter fragen, das konnte er gleich vergessen. Am liebsten hätte er ihn gepackt, durchgeschüttelt und ihm gehörig die Meinung gegeigt. Aber das hätte ihn nicht weitergebracht. Also klingelte er an der Stationstür. Es dauerte eine Weile, bis ihm jemand öffnete. Sie hatten ihn tatsächlich vergessen!
Schwester Amelie öffnete ihm und war sichtlich betroffen, bat ihn aber dennoch rein. Eigentlich durfte sie ihm keine Auskunft geben, aber da die junge Patientin vermutlich seinem mutigen Einsatz ihr Leben verdankte, machte sie doch eine Ausnahme.
»Kommen Sie.« Gemeinsam betraten sie die Intensivstation. Den Umständen entsprechend ginge es der jungen Frau gut, erläuterte sie ihm, sie habe einige Prellungen und Stauchungen erlitten und ein mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma. Aber nichts Lebensbedrohliches.
»Ein wahres Wunder, dass ihr nicht mehr passiert ist.«
Der Fernfahrer freute sich wie ein kleiner Junge – und wenn
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