Die Lust des Bösen
wollte er sie so verletzen.
Er dankte Gott – mit dem er sonst nicht allzu viel am Hut hatte – dafür, dass der auf sie aufgepasst hatte. Nicht auszu denken, wenn Jack ihr nicht mehr hätte sagen können, was er wirklich für sie empfand. Nie zuvor hatte er so tiefe Gefühle für eine Frau gehegt. Und nie war es ihm so schwergefallen, darüber zu sprechen.
Am nächsten Morgen kam Hofmann ins Krankenhaus. Braun, der sonst so drahtig und charmant war, wirkte müde. Die ganze Nacht hindurch hatte er an Leas Bett gewacht, sie einfach nur angesehen und gehofft, dass es ihr bald besser gehen würde. Was sonst hätte er jetzt für sie tun können, als einfach nur da zu sein und zu hoffen?
Er dankte dem Kommissar, dass er ihn gestern Nacht sofort angerufen hatte, und war froh, dass er ihm die Möglichkeit gegeben hatte, bei ihr zu sein.
»Sie ist noch nicht wach«, erklärte er Hofmann. Und als er dessen besorgten Blick auf die Beatmungsgeräte sah, fügte er hinzu: »Sie haben sie ins künstliche Koma versetzt, um ihren Organismus zu entlasten und sie wirkungsvoller behandeln zu können.«
Der Kommissar nickte, obwohl er nicht viel von dem verstand, was Jack ihm da erklärte.
»Ich werde bei ihr bleiben, bis sie wieder aufwacht«, versicherte Jack und erkundigte sich beiläufig nach dem neuesten Stand der Ermittlungen.
»Bei den Morden tappen wir leider noch immer im Dunkeln. In Leas Fall gibt es nur einen Verdacht«, räumte Hofmann beschämt ein. Aber viel mehr als ein Verdacht sei es eben noch nicht. »Wir glauben«, ergänzte er zögerlich, »dass jemand die Bremsleitungen ihrer Harley durchtrennt hat.«
»Ein Mordversuch?«, fragte Jack ungläubig und schockiert. »Wer könnte ein Interesse an ihrem Tod haben?«
»Auch wir sind ratlos«, versicherte Hofmann zerknirscht. »Wir sind dabei, die Videoüberwachung des Parkplatzes zu checken – bisher ohne Ergebnis. Die KTU hat Blutspuren an ihrem Motorrad gefunden und einen genetischen Fingerabdruck erstellt. Am Ende wussten wir nicht viel mehr, als dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Frau handelt.«
Der Täter sollte weiblich sein? Das wurde ja immer merkwürdiger. Jack konnte es nicht fassen.
»Wer zum Teufel könnte ihr so etwas antun wollen?«
»Soweit ich weiß«, führte der Kommissar aus, »hat sie nur eine Freundin. Und die scheidet aus, denn die beiden sind ein Herz und eine Seele!«
Wenig später saß Jack wieder auf dem Rand von Leas Krankenbett und versuchte, so gut es eben ging, die sterile Umgebung der Intensivstation zu ignorieren. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt woanders allein mit ihr wäre.
Wie schön Lea doch war und wie friedlich sie aussah – als würde sie einfach nur schlafen und könnte jeden Moment aus ihrem Traum erwachen. Und dann hielt er es einfach nicht mehr aus. Er musste mit ihr sprechen, ihr sagen, was er fühlte.
Er nahm ihre mit Schläuchen gespickte Hand und hielt sie zärtlich. Liebevoll strich er ihr – zwischen all den Geräten – durch die Haare und wünschte sich, all das, was jetzt zwischen ihnen stand, ungeschehen machen zu können. Die Zeit zurückzudrehen und noch einmal von vorn zu beginnen – wie schön wäre das?
Aber würde es wirklich helfen? Würde es alle Fehler und Missverständnisse für immer beseitigen?
Wohl kaum!
Aber wer wusste schon genau, was dann passieren würde?
Jack war es leid. Er wollte nicht mehr in der Vergangenheit herumwühlen oder in Möglichkeiten denken. Wichtig waren das Hier und das Jetzt. Es zählte allein, dass Lea lebte. Feierlich nahm er ihre Hand, küsste sie und flüsterte mit belegter Stimme: »Ich verspreche dir, wenn du mir die Möglichkeit gibst, werde ich dir beweisen, dass ich es kann. Ich werde dich lieben und dir treu sein, so wahr mir Gott helfe.«
Aber schon kurz darauf überkamen ihn erste Zweifel. Konnte er dieses Versprechen, das er ihr gegeben hatte, wirklich halten?
»Man kann Handlungen versprechen, aber keine Empfindungen; denn diese sind unwillkürlich.« Wie viel Wahrheit doch darin lag. War es nicht Nietzsche, von dem der Satz stammte?
Ja, vielleicht lag es nicht in Jacks Macht, sein Versprechen zu halten. Er wusste nicht, ob er sie auch in fünf Jahren noch genauso lieben würde wie heute. Und vielleicht würde er es nicht schaffen, all den Versuchungen, die das Leben mit sich brachte, zu widerstehen. Möglich, dass er nicht die Kraft dazu hatte, der treue Partner zu sein, den sie sich wünschte. Aber bei all
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