Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
Vom Netzwerk:
Hessischen Landesvertretung. Die Straßen waren fast menschenleer. Immerhin war es inzwischen ein Uhr nachts.
    Als er eine halbe Stunde später in die Tiefgarage der Landesvertretung fuhr, wurde er sofort ganz ruhig. Er zerrte den Körper aus dem Auto, klappte das Gitter des Lüftungsschachtes auf und stieg ein. Verdammt, war das schwer! Er fluchte, während er das fest verschnürte Paket hinter sich her zog. Dann endlich kam er an der Tür des Fahrerbunkers an. Er musste sein Paket ablegen und sich mit seinem ganzen Körper fest gegen die Stahltür stemmen, bis sie aufsprang.
    »Na, wer sagt‘s denn.« Selbstzufrieden rieb er sich die Hände, nahm Hannahs verpackten Körper wieder auf und lief etwa dreißig Meter in den Bunker hinein, bis zu dem Raum mit der Germania-Malerei. Direkt unter dieser schönen blonden Frau, die er so lange bewundert hatte, legte er die Leiche ab.
    Er schnitt die Plastikfolie wieder auf, nahm sie ab und steckte sie in seinen Rucksack.
    Die Gläser mit dem Gehirn und dem Herz seines Opfers positionierte er fein säuberlich rechts und links der Leiche.
    Dann legte er genau achtzehn rote Rosenblätter in gleichmäßigen Abständen aus, beginnend an den beiden Behältern im Halbkreis um die Leiche, sodass sie einen symmetrischen Bogen formten.
    Abermals nahm er seine Kamera zur Hand und filmte die Szenerie. Sie hatte etwas seltsam Bizarres. Auf der einen Seite die Leiche, die durch den geöffneten Brustkorb, den offenen Schädel und das viele Blut sehr grotesk aussah. Die beiden Augen, die noch am Schädelknochen in ihren Augenhöhlen hingen, verliehen dem Ganzen eine schaurige Aura. Und unter der Wandmalerei das fast ästhetisch anmutende Arrangement mit den Rosenblättern ...
    Wenger gefiel sein Werk. Wie ein Künstler bei seiner ersten Vernissage schaute er stolz auf seine Inszenierung. Über allem thronten die beiden Adler auf der Wandmalerei. Ob sein Geschenk dem Führer wohl auch gefiel?

    C arlson, der Chef des Berliner-Unterwelten-Vereins, war zufrieden. Soeben hatte er die freudige Nachricht erhalten. Wie lange hatte er auf diesen Tag hingearbeitet? Nur wenig Hoffnung war ihm verblieben gewesen, aber seine Hartnäckigkeit hatte sich ausgezahlt.
    Seit der Fahrerbunker 1993 bei Bauarbeiten auf dem Gelände der ehemaligen Ministergärten freigelegt worden war, kämpfte Carlson unverdrossen für dessen Freigabe. Viele Jahre schon engagierte er sich ehrenamtlich für den Verein »Berliner Unterwelten«, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Welt unter der Hauptstadt zu erforschen. Mittlerweile hatte er sich immer wieder in Interviews und Podiumsdiskussionen für eine Öffnung des Bunkers eingesetzt. Immerhin stand er seit seiner Freigabe unter Denkmalschutz; ein schwacher Trost für den Vereinschef, war es doch nicht die Art von Denkmalschutz, die er sich für dieses Gebäude wünschte, denn es war weder als Museum zugänglich noch als Gedenkstätte eingerichtet.
    Lediglich die Substanzsicherung hatte er dem Berliner Senat abringen können. Aber er wollte dieses einzigartige Zeugnis der letzten Tage des Führers und dessen engster Getreuen und Mitarbeiter erhalten, egal, was es kostete. Der Erhalt dieser authentischen Stätte – davon war Carlson überzeugt – konnte Berlin helfen, historisches Profil zu zeigen und zu bewahren.
    Und an einem solch markanten und geschichtsträchtigen Platz wie diesem konnten die letzten noch erhaltenen Spuren dazu beitragen, auch den jungen Generationen das hier Gesche hene beständig in Erinnerung zu rufen. Dies umso mehr, als alles sonst zumindest »oberflächlich« Sichtbare bereits ausgelöscht worden war. Die Erinnerung an diesen einzigartigen Ort verdichteter deutscher Geschichte konnte und durfte nicht aus geblendet werden, nur weil sie ein grelles Licht auf die dunkelste Periode deutscher Vergangenheit warf.
    Aber gerade beim Berliner Oberbürgermeister war er mit seinem Anliegen immer wieder auf taube Ohren gestoßen.
    »Hören Sie, Carlson«, hatte er ihm mehr als nur einmal entgegengehalten, »wir können es nicht zulassen, dass im Herzen unserer Hauptstadt eine neue Nazi-Kultstätte entsteht.«
    Das war natürlich nicht Carlsons Absicht, und er war es leid, immer wieder mit diesem Totschlagargument abgebügelt zu werden.
    »Sie wissen doch nur zu gut«, hatte er entgegnet, »dass diese Gefahr gar nicht real ist, wie andere Fälle in jüngster Vergangenheit gezeigt haben. Die Erfahrungen mit der Wewelsburg, der Kultburg der SS in Büren

Weitere Kostenlose Bücher