Die Lust des Bösen
haben.«
A ls Benni und Kurt ihre gemeinsame Altbauwohnung betraten, schien es Kapitän Cook, ihrem Beo, nicht besonders gut zu gehen. Er sah etwas mitgenommen aus. Sein Käfig war total verdreckt, und er saß nur apathisch in der Ecke.
»Sieht aus, als ob er schon eine Weile kein Futter mehr bekommen hat, das Obst ist jedenfalls vollkommen vertrocknet. Cookie, mein Lieber, was ist denn mit dir?«
»Saukerl«, tönte es Benni aus dem Käfig entgegen. »Hände hoch. Peng. Peng. «
»Na fein, Cookie, wenigstens lebst du noch. Aber wo ist Hannah, die untreue Tomate?«
Sie suchten nach der jungen Frau. Merkwürdig! Es schien, als ob sie gar nicht zu Hause gewesen war. Und das, obwohl sie ihnen doch versprochen hatte, sich um Kapitän Cook zu kümmern. »So kenne ich sie gar nicht«, meinte Kurt.
Komisch war das schon. Sie wusste doch, dass sie heute Abend gemeinsam seinen Geburtstag feiern wollten, und sie wollte etwas Nettes für die drei beim Italiener organisieren. Aber sie hatte sich nicht einmal bei ihnen gemeldet, obwohl sie das sonst fast täglich tat. Ein paar Mal schon hatten sie versucht, ihre Mitbewohnerin auf ihrem Handy zu erreichen, aber da war sie auch nicht drangegangen.
»Hmm«, Benni war ratlos, »lass uns erst einmal ankommen, die Koffer auspacken, vielleicht taucht sie ja dann auf, und wir haben uns vollkommen unnötig Sorgen gemacht.«
»Okay«, willigte Kurt zweifelnd ein.
Wenig später hörte er seinen Freund fluchen. Der hatte doch glatt seinen Ostfriesennerz in der Pension hängen lassen. Kurt musste schmunzeln, es war nicht das erste Mal, dass Benni Sachen liegen ließ. Mal war es ein Regenschirm, ein anderes Mal ein Mantel, den er vergaß. Irgendwann würde er wohl auch noch seinen Kopf vergessen.
»Warte«, beruhigte er seinen Partner, »ich rufe dort gleich an, ich bin sicher, dass die nette Rezeptionistin ihn gefunden hat und uns schicken wird.«
Auch wenn sein Mantel gerettet schien, konnte sich Benni nicht darüber freuen. Ständig war er in Gedanken bei Hannah. Der Abend verstrich, ohne dass die beiden etwas von ihr hörten. Als ihre Freundin schließlich auch um Mitternacht noch immer nicht aufgetaucht war, beschlossen sie, die Polizei zu informieren und eine Vermisstenanzeige aufzugeben.
»Name, Adresse, seit wann wird die Person vermisst«, leierte der zuständige Polizeibeamte Müller vom Revier Berlin IV gelangweilt seinen Fragenkatalog gemäß Polizeivorschrift 389 »Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen« herunter, um herauszufinden, wie ernst der Fall wirklich war. Nicht selten kam es vor, dass sich das Ganze letzten Endes als harmlos herausstellte. So verschwand schon mal ein Ehemann nach einem Streit und tauchte nach einer Kneipentour drei Tage später wieder bei seiner Frau auf, als wenn nichts gewesen wäre.
»Ist die vermisste Person schon öfter weg gewesen?«, fragte er.
»Nein«, antworteten beide einhellig.
»Neigt die Person zu spontanen Entschlüssen?«
»Was heißt hier Person?«, ereiferte sich Kurt. Es ging hier um ihre Freundin Hannah, sie war nicht einfach irgendeine Person oder irgendeiner von Müllers Fällen, die er gelangweilt und routinemäßig aufnahm und dann in seinen Akten verschwinden ließ, um sie erst wieder herauszuholen.
Kurt war nahe dran zu explodieren. Sein Kopf war hochrot, denn er litt unter Bluthochdruck – und immer, wenn er sich aufregte, passierte genau das.
Zum ersten Mal blickte der Beamte jetzt von seinem Formular auf.
»Okay, meine Herren, es tut mir leid«, beschwichtigte er sie, um ihre Erregung etwas zu dämpfen, »aber ich muss hier meinen Job machen. Und dabei können Sie mir am besten helfen, wenn Sie meine Fragen so präzise und so unaufgeregt wie nur möglich beantworten.«
»Natürlich unaufgeregt«, äffte Benni den Beamten nach.
»Also, fahren wir fort. Neigt die Person«, wollte Müller gerade fragen und verbesserte sich noch rechtzeitig, »neigt Ihre Freundin zu spontanen Entschlüssen?«
»Ja«, sagte Benni genervt, »sie ist schon spontan, aber in einem solchen Fall hätte sie uns sicher benachrichtigt.«
»Ich kenne Hannah jetzt schon eine Weile, aber dass sie einfach so verschwindet, ohne einem von uns Bescheid zu geben oder unseren Cookie zu versorgen, das gibt es einfach nicht. Das passt so gar nicht zu ihr.«
»Gab es vorher irgendeinen Streit?«, fragte Müller weiter.
»Nein, zumindest nicht mit uns, oder, Kurt?«
»Nein«, bestätigte der und schaute traurig drein.
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