Die Lust des Bösen
über in Rückenlage, denn auf dem Rücken finden sich so gut wie keine Flecken. Ob die Leiche allerdings eventuell umgelagert wurde, kann ich jetzt noch nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Denkbar wäre beispielsweise, dass der Täter das Mädchen in Rückenlage getötet und es dann wieder in die Position gebracht hat, die wir am Fundort vorgefunden haben.
Wenn wir einmal davon ausgehen, dass unser Fundort auch der Tatort ist, was ich nicht glaube, könnten wir die Tatzeit relativ genau eingrenzen.«
»Warum glauben Sie, dass unser Fundort nicht der Tatort ist?«, wollte Lea wissen.
»Sehen Sie, Frau Lands, ich habe schon viele Leichen hier auf dem Tisch gehabt, aber ein Täter, der so – ich sage es einmal etwas salopp – professionell vorgeht, braucht auch das richtige Equipment und die richtige Ausstattung. Ich bezweifle, dass er alle diese perversen Operationen, die er an unserem Opfer vorgenommen hat, in dem dunklen Fahrerbunker hätte durchführen können. Wo hätte er sie fesseln sollen? Wie hätte er für die richtige Beleuchtung sorgen können?
Und die für mich entscheidende Frage: Wie hätte er sie in den Bunker bekommen? Es ist eine ganz schön lange Strecke, die er zurücklegen musste. Nein, ich glaube, das Ganze wäre viel zu schwierig für ihn gewesen. Er muss sich etwas Einfacheres ausgesucht haben.«
»Etwa eine Umgebung, in der er sich auskannte?«, mutmaßte Lea.
»Ja, so etwas in der Art«, bestätigte Mayer. Deshalb seien jetzt alle Berechnungen, die er anhand der Temperatur anstellen könne, obsolet. Normalerweise sinke bei normaler Raumtemperatur, leichter Bekleidung – wie bei ihrem Opfer – und normalem Gewicht der Leiche in den ersten Stunden nach Todeseintritt die Mastdarmtemperatur um etwa ein Grad pro Stunde ab. Die Todeszeit könnten sie damit aber im besten Fall auf fünf bis sechs Stunden eingrenzen.
»Aber wie schon gesagt, dazu müssten wir den Tatort und die örtlichen Gegebenheiten kennen. Genauer könnten wir sie nur bestimmen, wenn wir in den ersten zwölf Stunden die zentrale Hirntemperatur messen würden, was aber bei unserem Opfer leider nicht mehr möglich ist, weil das Gehirn nun einmal entnommen und konserviert wurde.
Ich will Sie aber gar nicht mit fachlichen Details nerven, fest steht, dass wir nicht wissen, ob Tatort und Fundort identisch sind. Deshalb können wir die Todeszeit nur schätzen, zum Beispiel anhand der Totenstarre.«
»Was kannst du uns darüber sagen?«, wollte Max, der sich inzwischen wieder etwas gefangen hatte, wissen.
Die Totenstarre sei schon ausgeprägt, erläuterte Mayer. Normalerweise trete sie bereits in den ersten Stunden nach Todeseintritt ein und erreiche ihr Maximum nach zwei bis zwanzig Stunden.
»Ich habe zur Eingrenzung der Todeszeit die Starre an einigen Gelenken gebrochen.«
Lea schaute ihn ungläubig an.
»Nun ja, bei diesem Verfahren machen wir uns den Umstand zunutze, dass die einzelnen Fasern eines Muskels erst nach und nach erstarren. Wird die Starre eines Muskels nun wie hier durch Fremdbewegungen gebrochen, bevor diese vollständig ausgebildet ist, setzt nach einiger Zeit an diesem Muskel eine neue Starre ein.«
Mittels dieser Untersuchung würde er den Todeszeitpunkt auf vor zwölf Stunden schätzen, da die Fasern und Muskeln noch nicht alle erstarrt seien.
»Kannst du uns schon etwas zum Tathergang sagen?«, erkundigte sich der Kommissar. »Welche Waffe könnte der Täter benutzt haben? Welche der Verletzungen waren tödlich? Und wie lange hat das Opfer während der Tortur noch gelebt?«
»Also, der Reihe nach«, bat Mayer. »Zunächst einmal handelt es sich hier um eine scharfe Gewalteinwirkung, bei der es zu diesen typischen glattrandigen Hautdurchtrennungen, die wir hier sehen können, kommt. Der Täter benutzte vermutlich ein Messer und ein Skalpell für die Schnitte, was wir hier sehen können, denn die Hautwunde ist länger, als sie tief ist.
Ziemlich sicher können wir davon ausgehen, dass das Mädchen noch lebte, als der Täter sie mit diesen sadistischen Spielchen malträtiert hat.
Und ebenso sicher ist, dass sie sediert wurde, denn es finden sich so gut wie keine Abwehrverletzungen an den Händen oder den Fingernägeln der jungen Frau. Auch das Öffnen der Schädeldecke erfolgte wohl, als sie noch lebte, denn es sind typische lokale Einblutungen vorhanden. Eine lokale intravitale, also zu Lebzeiten entstandene Verletzung zeichnet sich immer durch eine stärkere Gewebereaktion im
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