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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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Vielleicht hatten sie sich auch ganz einfach zu wenig um Hannah gekümmert. Aber sie hatten auch nicht den Eindruck, dass sie sich in den letzten Tagen verändert hatte.
    Während Müller die Antworten des ungleichen Paares einhackte, ächzte und stöhnte seine alte Schreibmaschine der Marke »Triumph Adler« unter der ungewohnten Beanspruchung. Fast sechzig Jahre hatte sie jetzt auf dem Buckel, und auf ihre alten Tage kam sie wohl nur noch selten zum Einsatz.
    »Wie lange ist Hannah denn jetzt verschwunden?«
    »Schätzungsweise zwei bis drei Tage ist sie nicht zu Hause gewesen«, erzählte Kurt. Genauer konnten sie es leider nicht sagen, weil sie im Urlaub auf Sylt gewesen waren.
    »Hat die Vermisste denn Verwandte, die wir benachrichtigen oder auch befragen können?«, fragte der Beamte.
    »Ja, sie hat einen Vater, den bekannten Privatbankier Hausmann aus Frankfurt.«
    »Ihre Mutter ist schon einige Jahre tot«, ergänzte Benni nachdenklich.
    »So, ich denke, das war’s erst mal«, sagte der Polizist erleichtert. Er war froh, die beiden loszuwerden.
    »Sobald wir etwas über Hannah Hausmann erfahren haben, melden wir uns bei Ihnen«, versuchte er sie abzuwimmeln, während er mit seiner Maschine kämpfte und ihr schließlich nach einem lauten Klappern, Tack und Ping den Bogen entriss.
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«, empörte sich Benni. »Sie können uns doch jetzt nicht einfach so nach Hause schicken und von uns verlangen, dass wir nichts tun.«
    Müller stutzte. Die beiden waren wirklich lästig. Glaubten die denn, dass er nichts anderes zu tun hatte? Hatten die überhaupt eine Ahnung, wie viele Vermisstenfälle er jede Woche hereinbekam?
    »Doch, genau das«, erwiderte der Beamte in seinem typisch bürokratischen Tonfall. Er konnte im Moment nichts weiter für sie tun. Sie mussten warten. So wie alle anderen auch – dachte er, sagte aber nichts. Die Anzeige würde jetzt rausgehen an alle Dienststellen.
    »Außerdem«, hörten sie seine Worte, »werden wir uns mit dem LKA Berlin ins Benehmen setzen, um nachzufragen, ob vielleicht eine Person gefunden wurde, auf die Ihre Beschreibung passt. Auch die umliegenden Krankenhäuser werden überprüft, ob die Vermisste eventuell Beteiligte eines Verkehrsunfalls war. Verläuft diese Überprüfung negativ, wird die vermisste Person bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben. Für eine Veröffentlichung in den Medien wird natürlich Ihr Einverständnis eingeholt. Also, meine Herren, wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe noch zu tun.«
    Die beiden Männer waren baff. Aber so einfach wollten sie sich nicht abspeisen lassen. Benni war gerade so richtig in Fahrt gekommen, denn nichts nervte ihn mehr als Menschen, die ihm sagten, dass man nichts tun könne und dass man etwas als gottgegeben hinnehmen müsste. Er wolle Müllers Vorgesetzten sprechen, und zwar sofort, verlangte er und schlug zur Bekräftigung mit der Faust auf den Tisch. Müller schaute irritiert, ließ sich aber nicht aus seiner Ruhe bringen. »Wie Sie wünschen, nehmen Sie bitte Platz, ich hole den Chef. Aber Sie werden sehen, auch der wird nicht viel mehr für Sie tun können.«
    Als nach einer Stunde noch immer niemand zu ihnen gekommen war, verließen sie schließlich resigniert das Präsidium. Keiner von ihnen dachte jetzt noch an die verpatzte Geburtstagsfeier. Ihre Gedanken drehten sich nur um Hannah!
    Als die beiden das Dienstzimmer verlassen hatten, setzte sich Müller wieder an seinen Schreibtisch, um seinen Papierstapel in gewohnter Ruhe und Routine weiter abzuarbeiten. Irgendwie wollte ihn dieser Fall jedoch nicht wieder loslassen. Was war wohl passiert mit diesem jungen Mädchen?
    In einem Anflug von Spontanität, die sonst nicht sein Ding war, griff er zum Telefon und bat seine Kollegin vom LKA um einen Abgleich mit der Datenbank der Verbrechensopfer, die noch nicht identifiziert waren. Gab es hier in den letzten zwei Tagen einen Fall?
    »Einen Moment bitte«, sagte die Beamtin am anderen Ende der Leitung. Es raschelte, und dann hörte er das Klackern der Computertastatur.
    »Ja«, räumte seine Kollegin dann etwas zögerlich ein, »ja, also ich habe hier eine junge Dame – etwa Anfang zwanzig.«
    Müller war wie elektrisiert. Offenbar hatte er den beiden unrecht getan.
    »Können Sie mir die Akte rüberschicken?«, fragte er.

    R echtsmediziner Mayer brummte vor sich hin. »Du meine Güte!« Ein so junges Mädchen, eine schöne Figur, wahrscheinlich war sie auch noch hübsch gewesen,

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