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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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Lands, was für Sie ein Serienmörder eigentlich ist«, setzte der Journalist ein wenig ärgerlich nach.
    »Serienmörder. Hmm«, hob sie an. »Dieses Wort schürt nicht erst seit Kurzem die Ängste der Menschen. Aber warum ist das so? Ist es nicht so, dass wir mit einem Serienmörder immer eine tödliche Bedrohung assoziieren? Grausamkeit und Erbarmungslosigkeit kennzeichnen diese Täter als vermeintliche Unmenschen, die Unheil über ihre Mitmenschen bringen, Leben auslöschen. Und gerade deshalb rücken sie in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Sie inszenieren ein Drama, an dem nur sie selbst freiwillig teilnehmen. Auch wenn es kaum jemand wahrnimmt, kommunizieren sie mit uns. Aufgeführt wird immer dasselbe Stück: die Verstümmelung der Humanität und unserer Spielregeln. Aber der Serienkiller ist kein Phänomen der neuen Zeit«, relativierte die Profilerin. »Vieles spricht dafür, dass es sie zu allen Zeiten schon gegeben hat. Theodor Lessing hat schon empfohlen, man solle nicht in den Geschichtsarchiven der Vergangenheit suchen, um die historischen Ursprünge ausfindig zu machen, sondern in den uralten germanischen Mythen. Und hier finden wir es: das menschgewordene ›Urböse‹ in Wolfsgestalt – den Werwolf, der verflucht war, Kindern die Kehle durchzubeißen und sie zu zerfleischen. Oder denken Sie nur an den berühmten Fall des ›Fritz‹ Heinrich Karl Haarmann, der auch als der Vampir oder der Werwolf von Hannover weltweit bekannt wurde«, ergänzte sie.
    »Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts brachte der Werwolf mindestens vierundzwanzig Jungen und Männer um, die er zuvor meist sexuell missbraucht hatte. Die Unterhaltungsmedien haben daraus eine bunte und bizarre Serienmörder-Welt geschaffen, in der alles möglich scheint, kein Tabubruch ausgelassen wird, die aber auch Authentizität suggeriert, die es so nicht gibt.«
    Die Medienvertreter hörten diese Kritik nicht gerne, das wusste sie, aber sie wollte dennoch die Tatsachen nicht aus Höf lichkeit verschweigen. Und so fuhr sie fort, den Journalisten sanft, aber bestimmt den Kopf zu waschen:
    »Serienmörder sind keine Erfindung von Drehbuchautoren. Allerdings haben diese Täter nur wenig gemein mit ihren Kollegen, die auf der Leinwand ihr Unwesen treiben oder zwischen zwei Buchdeckeln Dutzende von Opfern niedermetzeln. Sie sind die Verlierer ihrer Gesellschaft, Randfiguren, Nischenmenschen, unscheinbar, unnahbar, nahezu unsichtbar, vor allem aber unberechenbar.
    Häufig ist es nur ein Quäntchen, das den Mörder vom netten, unbescholtenen Nachbarn unterscheidet. Hat beispielsweise jemand, der Sadomaso-Spiele braucht, nicht schon die Grenze überschritten? Ab wann ist der Mensch böse?
    Muss er erst einen anderen Menschen töten, oder reichen bereits die Gedanken daran, die geistige Auseinandersetzung mit den Facetten des Bösen? Ich glaube«, betonte sie, »dass die Grenzen fließend sind, und wenn Menschen schon einmal in die Abgründe des Unvorstellbaren und Ungeheuerlichen geschaut haben, ist schon der erste Schritt getan, der sie näher zum Sturz in diesen Abgrund bringt.
    Aber zurück zur Ausgangsfrage, was ist nun ein Serienkiller? Er ist eine kaltblütige Spezies, folgt gezielt, vorsätzlich und um seine niederen Triebe zu befriedigen dem Gesetz der Serie, indem er immer neue Opfer in immer neuen sadistischen Inszenierungen tötet.«
    Die darauffolgende Stille im Raum wurde durch den Journalisten vom Berliner Tageblatt unterbrochen: »Gibt es Indizien, Frau Lands, die auf ein Sexualdelikt hindeuten?«
    »Nein. Es gibt zumindest keine Anhaltspunkte, die auf ein reines, klassisches Sexualdelikt hindeuten. Indizien, die dazu vorliegen müssten, wären beispielsweise eine fehlende Bekleidung des Opfers, die Entblößung von Geschlechtsteilen, die Positionierung der Leiche in sexuellen Körperhaltungen, die Einführung von Gegenständen in Körperöffnungen, Anhaltspunkte für Geschlechtsverkehr, oral, anal oder vaginal, und Indizien für sexuelle Ersatzhandlungen. In der Tat gibt es einige sexuell motivierte Faktoren, die bei unserem Täter vielleicht eine Rolle gespielt haben. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt aber davon ausgehen, dass es ihm eher um das Quälen des Opfers, um Macht, Kontrolle und um das Töten selbst ging. Die sexuellen Facetten, die hier eine Rolle gespielt haben, sind also lediglich ein Mosaikstein.«
    »Frau Lands, was glauben Sie, wie sieht das Profil des Täters aus?«
    Das war die Frage, die sie befürchtet

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