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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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seiner Zigarre und betrachtete gedankenverloren, wie sich der blaue Dunst in der Luft ausbreitete.
    Als der Tag kam, an dem er sterben sollte und sein Lebensende schon in Stunden auszurechnen war, empfand er keine Angst. Nur Wut, weil er spürte, dass seine Zeit noch nicht gekommen war. Nein, es war noch nicht die Zeit, um zu gehen. Er würde jetzt nicht zu Gott beten, würde sich nicht von seiner Familie verabschieden. Verdammt, das konnte es noch nicht gewesen sein.
    Dann ertönte das Signal, und er musste den Korridor entlang zum Hinrichtungsraum gehen. Seine Hände waren gefesselt, er ging zwischen zwei Wachen; zwei Geistliche schritten unmittelbar vor ihm, an der Spitze ein Offizier. Wenig später betraten sie einen kleinen Raum in einem flachen Backsteinhaus mit gekacheltem Fußboden und weiß getünchten Wänden. An der Decke verlief eine Eisenschiene mit sechs Haken, die wie ein »J« geformt waren. In einer Ecke stand der Protokollführer, außerdem waren sein Henker, dessen Gehilfen und zwei Gefängniswärter anwesend.
    Hier, in diesem kalten Raum also, sollte er erhängt werden – so wie man Schlachtvieh aufhängte und ausbluten ließ. Hier sollte er die letzten Augenblicke seines Lebens verbringen, sollte um Luft ringen und spüren, wie sich der Knoten Stück für Stück enger um seinen Hals legte?
    Noch bevor er diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, wurde er zum Galgen geführt, wo er am Fuß der dreizehn Stufen stehen blieb. Auf Verlangen des Offiziers nannte er seinen Namen, erst dann ging er langsam die Stufen nach oben, bis er auf die Falltür trat.
    Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit. Bis jetzt war er vollkommen ruhig gewesen. Aber als er dann durch die Scheibe in die Augen der kaltblütigen Zuschauer blickte, die sich als Zeugen der Hinrichtung versammelt hatten, konnte er spüren, wie ihn langsam, aber stetig ein beklemmendes Gefühl erfasste. Nie zuvor hatte er in vergleichbar leblose, abgestumpfte und ungerührte Augen geblickt, so gefühllos, dass er glaubte zu erfrieren.
    Ein Wärter trat vor ihn und fesselte seine Füße, während ein Offizier ihn fragte, ob er noch ein letztes Wort sagen wolle.
    »Nein«, antwortete er. Dann stülpte man ihm die schwarze Kapuze übers Gesicht und zog den Knoten zusammen.
    Und in dem Augenblick, als Oskar sich seinem Schicksal ergeben hatte und erwartete, dass sich die Falltür unter seinen Füßen öffnen würde, platzte ein aufgeregter Bote mit einer Nachricht herein, die alles änderte: Der tschechoslowakische Reststaat sei von den Deutschen zerschlagen worden.
    Langsam drangen die Worte in sein Bewusstsein – er war gerettet! Nie würde er diesen Moment vergessen, nie war er glücklicher gewesen, nie spürte er mehr Leben in seinen Adern pulsieren als in jenem Augenblick.
    Und dann kam die Angst. Erst langsam, dann stärker stieg dieses Gefühl in ihm hoch und drohte seine Kehle zuzuschnüren. Erst jetzt war ihm bewusst geworden, dass er zitterte und wie sehr sich seine Muskeln verspannt hatten. Ja, er hatte Todesangst gehabt. Aber er hatte sich wie ein Mann verhalten, hatte zu seiner Tat gestanden, bereit, die Konsequenzen zu tragen.
    Und vielleicht, überlegte Jack laut, war es ja diese Mission seines Onkels, die er fortführen wollte? Sein ganzes Leben lang sei Oskar ein Kämpfer gewesen, sei seinem Herzen und seiner Überzeugung gefolgt.
    Er dachte daran, wie dieser den jüdischen Bankier Haus mann vor dem sicheren Tod und dem finanziellen Ruin gerettet hatte. Daran, wie Oskar seiner Treue zu den Nationalsozialisten abschwor, weil er erkannt hatte, wie verbrecherisch und grausam das alles war.
    Manchmal, überlegte er, war es eben nötig, sich Fehler einzugestehen und neu zu beginnen.
    Ja, sein Onkel hatte Kämpfer gemocht, Menschen, die für ihre Sache einstanden – ganz egal, woher der Wind auch gerade wehte oder wie kräftig er ihm ins Gesicht blies. Er mochte es, wenn man sich mit allem, was man hatte – mit Leidenschaft und Verstand – einbrachte und jederzeit bereit war, zu dem, was man tat, zu stehen. Wichtig sei, hatte Oskar immer gesagt, dass man sich nicht vom Wind treiben ließe. Denn wer sich immer nach dem Wind richte, der werde von ihm verweht.

    Lea hatte gespürt, wie sehr sie ihn mit ihrer Frage nach seinem Parteieintritt berührt haben musste. Fast schon tat es ihr leid, dass sie ihm diese Frage gestellt hatte.
    »Ich weiß«, erklärte ihr Jack mit Rührung in der Stimme, »dass viele Menschen mit dieser

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