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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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finde, wir sollten uns duzen, meinst du nicht?«
    Lea nickte. Nie war sie wohl glücklicher gewesen als in diesem Augenblick. Das Knistern zwischen ihnen zu spüren, das Kribbeln im Bauch, das Serotonin, das in ihre Adern schoss und wahre Glücksfeuerwerke auslöste.
    Schade eigentlich, dass das Hotel immer so leer war – ein solch wunderschöner Platz, aber so wenig Gäste. Doch heute fand es Jack genau richtig. Es scheine, als ob alles für sie allein reserviert wäre, bemerkte er und schenkte Lea erneut ein strahlendes Lächeln, das sich über seinen ganzen Körper auszubreiten schien. Kurz darauf lachten beide herzlich, und damit war das Eis gebrochen.
    Sie konnte ihre Aufregung und ihre Sprachlosigkeit ablegen und stellte ihm die Frage, die ihr seit dem Abend nicht mehr aus dem Kopf gegangen war: »Was hat dich eigentlich dazu bewogen, dich in der Nationalpartei zu engagieren? Du bist ein sympathischer Mann, einer, der Menschen für sich einnehmen kann. Einer, der Leidenschaft, Geradlinigkeit und Authentizität ausstrahlt. Alles Dinge, die ich nicht unbedingt mit der Partei in Verbindung bringen würde, deren Spitzenkandidat du bist. Einer Partei, die nicht gerade für hehre Ziele steht – sondern für Gewalt und Autorität, und die für ihr Bestreben bekannt ist, die nationalsozialistische Kultur und die Diktatur wiederaufleben zu lassen.«
    »Nun, das ist eine gute Frage«, konstatierte ihr smarter Begleiter, während er sich genüsslich in seinem Stuhl zurücklehnte. Fast schon vergessen geglaubte Bilder drängten sich jetzt in sein Gedächtnis.
    Er dachte an den Abend mit seinem Onkel Oskar, wie er mit ihm zusammengesessen und dieser ihm das erste Mal von seiner aufregenden Vergangenheit berichtet hatte.
    Ja, vielleicht war dieser Mann die Triebfeder, der Auslöser für Jacks politisches Engagement gewesen. Bis jetzt hatte er nie darüber nachgedacht, aber Leas Frage hatte etwas ihn ihm bewegt. In den dreißiger Jahren, so hatte sein Onkel ihm erklärt, sei er ein Agent gewesen. Ungläubig hatte Jack ihn angesehen, fast ein wenig geschockt.
    »Aber ja, mein Junge«, hatte er dann zu ihm gesagt. Zu jener Zeit sei er noch ein attraktiver Mann gewesen, stets mit Mantel und Hut gekleidet. Sein Boss war damals Admiral Canaris vom Amt Ausland und Abwehr, ein grauhaariger Mann mit buschigen Augenbrauen und strengem Blick. Eine eigenartige Mischung aus einem Intellektuellen, einem Offizier mit vollendeten Manieren und einem Mann voll südlicher Lebhaftigkeit und Lebensfreude.
    Gegner habe der Admiral schon damals viele gehabt, hatte Oskar ergänzt, als er Jacks erstaunten Blick bemerkte – nicht nur im feindlichen Ausland, auch in den eigenen Reihen. Aber so leicht habe Canaris sich nicht einschüchtern lassen.
    Auf Anhieb hatte der Onkel seinen Boss in sein Herz geschlossen – er mochte seinen unerschütterlichen, klaren Charakter und schätzte seine Verlässlichkeit.
    Ein aufregendes Leben sei das damals gewesen, setzte er wehmütig nach. Ständig habe er unter Adrenalin gestanden und mit der Angst gelebt, entdeckt zu werden. Genau deswegen jedoch hatte er diesen Geheimdienst-Job gern gemacht. Schon immer war er das gewesen, was man heute vielleicht als Abenteurer bezeichnen würde – er mochte das Risiko, suchte die Herausforderung. Er liebte es, sich ständig auf neue Gegner einzustellen, herauszufinden, wer sie waren, wie sie tickten, und mochte es, ihre Schwachstellen zu enttarnen.
    Und dann kam der Einsatz, der sein Leben für immer verändern sollte. Einige Monate lang hatte er damals, getarnt als Verkaufsleiter der Mährischen Elektrotechnischen AG, in einer tschechischen Stadt gearbeitet.
    »Mann, das war eine Zeit«, hatte Oskar lachend gesagt. Die jungen Arbeiterinnen hatten ihm praktisch zu Füßen gelegen. Und ja, er hatte es genossen. Immer hatte er neue Frauenbeziehungen gehabt – auch später, als er glücklich verheiratet war.
    Aber dann – von einem Moment auf den anderen – war alles vorbei. So, wie das Leben eben manchmal spielt, ergänzte er wehmütig.
    Es war ein verregneter Freitag, als plötzlich Männer in sein Büro stürzten und ihm sagten, dass er verhaftet und als Geheimagent enttarnt worden sei. Irgendjemand musste ihn verraten haben. Nur wenige Stunden später wurde er zum Tode verurteilt.
    Und dann, auf dem Höhepunkt der Geschichte, als es so spannend wurde, dass Jack es gar nicht mehr aushalten konnte, machte sein Onkel gewöhnlich eine Pause. Er zog dann genüsslich an

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