Die Lust des Bösen
durchzuarbeiten, aber an ein schnelles Vorankommen war nicht zu denken. Dennoch schob sie sich Stück für Stück hartnäckig weiter, bis hinter die Absperrung, vor der die Presse stand.
»Es wird gleich eine kleine Pressekonferenz geben«, informierte einer der Ordner die Pressevertreter. Nur wenige Minuten später kam Jack Braun. Eine junge Journalistin vom rbb hielt ihm ihr Mikrofon entgegen. »Sie scheinen unglaubliche Sympathien in der Bevölkerung zu haben, Jack, wie wollen Sie all das halten, was Sie den Menschen versprechen?«
»Wissen Sie«, sagte er mit einem souveränen und gelassenen Lächeln, »ich glaube, dass die Menschen es in Deutschland leid sind, ständig von Politikern mit leeren Versprechungen von Steuersenkungen oder anderen Paketen hingehalten zu werden. Jetzt ist endlich einmal eine Partei da, die ausspricht, was so viele denken. Und allein, dass wir da sind und all den Menschen mit ihren Wünschen und Vorstellungen eine Stimme geben, das ist es doch, was schon die Wende einläutet.«
Komisch, sinnierte er, wie einfach es doch war, Menschen um den Finger zu wickeln. Sie reagierten auf immer gleiche Phrasen mit Begeisterung. Aber war er nicht angetreten, um anders zu sein als die anderen aalglatten, »chemisch gereinigten« Politiker, an denen alles abperlte, was nicht in ihr Konzept passte?
Und was war es eigentlich, das er erwartete? Im Augenblick jedenfalls, das war ihm bewusst, spielte er die Rolle des sympathischen Spitzenkandidaten – nicht mehr und nicht weniger. Aber eine Rolle zu spielen, dazu war er nicht angetreten. Er wollte verändern, wollte reformieren, er wollte bewegen.
»Was werden Sie anders machen?«, hakte die Journalistin nach.
»Alles«, erwiderte er. »Wir werden unsere Mandate so transparent wie möglich wahrnehmen und alles ins Internet stellen, was im Bundestag oder bei Fraktionssitzungen passiert. So sind unsere Wähler jederzeit auf dem neuesten Stand und müssen nicht erst die Tageszeitungen aufschlagen, um zu erfahren, was wir vorhaben. Wenn das nicht revolutionär ist, dann weiß ich auch nicht weiter.«
Geschlagene zwanzig Minuten hielten weitere Pressevertreter ihm ihre Mikrofone hin und stellten Fragen.
Plötzlich hielt er inne.
Er sah Lea! Für ein paar Sekunden lang schien es, als würde die Zeit stillstehen. Diese junge Frau faszinierte ihn, und es schien ihm, als läge etwas Geheimnisvolles, Melancholisches in ihr, aber zugleich auch eine ungeahnte Leidenschaft.
»Meine Damen und Herren, alle weiteren Fragen beantworte ich Ihnen gerne morgen auf der Pressekonferenz in unserem Hause, bei der wir unser Wahlprogramm vorstellen. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und möchte mich jetzt von Ihnen verabschieden.« Sprach’s und schob sich samt Bodyguards durch die Menge direkt auf die junge Profilerin zu.
»Sehen Sie, Lea, ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir uns bald wiedersehen würden. Aber dass es so schnell gehen würde, hätten wir wohl beide nicht gedacht. Was halten Sie von einem leckeren Abendessen und einem kühlen Glas Wein?«
Eine gute Idee! Lea lächelte und nickte; wie könnte sie dieses Angebot auch ablehnen.
»Dann kommen Sie, mein Fahrer wartet ganz in der Nähe.«
Einige Male war sie schon hier gewesen, in dem kleinen Schlosshotel im Berliner Grunewald – ein Platz ganz nach ihrem Geschmack. Dieses alte, ehrwürdige Gemäuer, so stilvoll von Karl Lagerfeld eingerichtet, war ursprünglich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als Residenzpalast von Walter von Pannwitz, einem Vertrauten von Kaiser Wilhelm, erbaut worden. Es schien, als ob der Stil und der Glanz jener Epoche noch durch jede Pore der Hotelräume atmeten. Man konnte sie spüren, so präsent waren sie. Und diese wundervolle, großzügige Terrasse mit der großen Freitreppe, die in den Garten führte ...
Wie oft schon hatte Lea dort gesessen und den schönen Park mit dem barocken Brunnen in der Mitte betrachtet? Schon wieder hatte Jack ihren Geschmack getroffen. Langsam wurde er ihr unheimlich. Konnte er vielleicht Gedanken lesen?
Einige Zeit später saßen sie als einzige Gäste auf eben jener Terrasse im Gartenrestaurant und stießen an. »Auf einen schönen Abend und auf eine schöne Frau.«
Nur nicht zu tief in seine Augen sehen, dachte sie und musste schmunzeln, wusste sie doch, dass sie ihren Vorsatz sowieso nicht würde einhalten können.
»Na dann Prost.« Jack strahlte sie an mit diesem Lächeln, das sie verzauberte und ihr schier den Atem nahm.
»Ich
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