Die Lust des Bösen
aussah wie eine umgedrehte Schleife, gedachten sie beim nächtlichen Treffen als Symbol des gleichen Blutes zu tragen. »Okay, wir treffen uns heute eine Stunde vor Mitternacht vor dem Hotel.«
Um halb zwölf hatten die sieben den Bunker 13 erreicht. Den Weg dorthin mussten sie mit Taschenlampen ausleuchten, denn gerade heute war es eine dieser Herbstnächte, in denen man sprichwörtlich die eigene Hand nicht vor den Augen sah. Es war Neumond, und dieser Mondphase sagt man nach, dass sie eine konzentrierte Energie in sich berge und die beste Zeit für Rituale sei, die etwas Neues und Neuerung vollbringen sollen.
Keiner von ihnen sprach ein Wort. Die Spannung war für alle deutlich spürbar.
Wie abgesprochen, begaben sie sich über einen kleinen Pfad von der gut erhaltenen Vorderfront des Bunkers zur fast vollkommen zerstörten Hinterseite.
Über riesige, moosbewachsene, eingestürzte Bunkerwände stiegen sie schließlich hinunter in den Innenhof, der sich zwischen dem Schutt gebildet hatte.
Eine merkwürdige, fast magische Atmosphäre erfasste sie sofort. Sie breiteten ihre mitgebrachten Decken aus, und Tim und Thomas sammelten Holz, um ein Feuer zu entfachen, denn es war eine kalte Nacht, die sie alle ganz schön frösteln ließ.
Die Mitte des Innenhofs dominierte ein großer Stein mit einer glatten Oberfläche, um den sich die jungen Männer niederließen.
Robert legte die Zahlen 0 bis 92 kreisförmig auf den Stein, dann das Alphabet von A bis Z und zwei Blätter mit den Wörtern »Ja« und »Nein«.
Anschließend stellte er ein Glas auf die Mitte des Beton blockes. Alle konzentrierten sich jetzt nur noch auf das Gläserrücken. Sie legten jeweils die Kuppen ihrer rechten Zeigefinger auf den Boden des Glases und begannen die Séance: »Wir rufen dich, großer Geist.«
Minuten vergingen, und es tat sich nichts. Dann plötzlich begann sich das Glas wie von Geisterhand zu bewegen. War es ihre Aufregung, die in ihren Körpern Impulse freisetzte und somit dazu führte, dass ihre Hände sich bewegten? Oder war es ihr Unterbewusstsein, das das Glas zu der gewünschten Antwort steuerte?
»Okay«, versuchte Robert die Aufmerksamkeit der Gruppe wieder auf ihr Vorhaben zu lenken. Er hatte die Leitung der Séance übernommen, und auch er spürte ein leichtes Unwohlsein bei der ganzen Sache. Dennoch ließ er sich nichts anmerken und fuhr fort:
»Sag uns doch bitte, Geist, wer du bist.«
Wieder verging einige Zeit, bis das Glas erneut in Bewegung geriet. Jetzt fingen einige der jungen Burschen an zu zittern. Konnte das denn wahr sein, nach mehr als siebenundsechzig Jahren?
Die sieben Männer waren angespannt und konzentrierten sich auf jedes Geräusch. Sie hörten, wie einige Äste knackten, sie lauschten den Rufen des Käuzchens und nahmen einen eisigen Luftzug wahr.
»Ich kann nicht!«, schrie Tim plötzlich.
»Oh mein Gott, stellt euch nur vor, wenn er es wirklich war, was das bedeutet.«
Robert fauchte ihn an und verlangte, er solle sich sofort wieder setzen.
Aber Tim sprang auf und rannte hinaus in die Dunkelheit. Damit war die Magie gebrochen, und die Séance musste beendet werden.
Robert war stinksauer. »So ein verdammter Idiot!«, brüllte er.
Monatelang hatten sie das hier vorbereitet, und nun das! Unfassbar – was für eine Memme! Ein Weichei, das auf keinen Fall mehr zu seiner Gruppe gehörte.
Inzwischen war es drei Uhr morgens. Wenger hatte die Leiche seines zweiten Opfers in sein Auto geladen und war losge fahren. Die Nacht war kalt, es hatte sich Raureif gebildet, die Straßen waren glatt, und er musste äußerst vorsichtig fahren, um mit den Sommerreifen des alten Käfers, den er sich geliehen hatte, nicht ins Rutschen zu geraten. Aber all das tat seiner Euphorie keinen Abbruch.
»So, meine Liebe, noch ein paar Meter, und dann sind wir am Ziel unserer Reise. Ich hatte jedenfalls Spaß heute Nacht mit dir, ich hoffe, es hat dir auch ein wenig gefallen.«
Er grinste und sah in den Rückspiegel. Die Leiche hatte er auf den Rücksitz des Käfers gelegt und mit einer Plane zugedeckt.
»Vielleicht wirst du mir irgendwann dankbar sein, auch wenn du das jetzt noch nicht so siehst.«
Er legte seine Lieblings-CD von den Ärzten ein und drehte sie voll auf. »Der letzte Schlaf, er war sehr tief. Etwas geschah, während ich schlief. Kalte Fliesen oder Geruch, auf meinem Körper ein Leichentuch … Hier ist nichts zu essen, in der Leichenhalle, Leieichenhaaaalle«, sang er mit.
Und während er
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