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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
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Wulf, du hörst so viele Stimmen in deinem Kopf und sie reden alle durcheinander … Woher kommen sie, wie kann ein Mensch so viele Stimmen in sich tragen?
    Der alte Mann schaute aus dem Fenster und hielt Wulf den Rücken zugekehrt; mehrmals öffnete und schloss Wladislaw den Laden. Wulf war nicht klar, welchem Zweck die Prozedur diente, aber der Großvater hatte Verdacht geschöpft, das war gewiss. Da drehte er sich ruckartig um und starrte genau in Wulfs Richtung, der ganz schnell seinen Kopf wieder hinter dem Sack versteckte.
    Zuerst geschah nichts, aber auf die Stille folgte ein leises Kichern, ein selbstzufriedenes, bösartiges Kichern, das lauter wurde und sich zu einem Lachanfall steigerte. Was war zu tun? Wulf entschied, in seinem Versteck zu bleiben. Das Lachen erstarb. Schritte … Nun hob Wulf doch den Kopf und der Alte stand nur wenige Schritte von ihm entfernt. Wulf richtete sich auf, denn das Spiel war beendet. Wladislaw war wirklich wesentlich größer als er, auch hielt er seinen Stock in der Hand, den er beim Gehen kaum benutzte. Sie starrten sich an. Wladislaw lächelte, Wulf lächelte zurück.
    Â»Nun, mein Kleiner«, sagte Wladislaw, »das dachte ich mir doch, dass wir beide uns einmal wiedersehen.«
    Â»Tatsächlich, Ihr habt es vorausgesehen? Wie kommt’s?«, fragte Wulf.
    Â»Ach, weißt du, mein Kleiner, das ist so ein Gefühl, lässt sich gar nicht wirklich erklären. Eine schöne Armbrust liegt da neben dir.«
    Â»Ja, ein gutes Stück, sehr treffsicher, ich habe sie bereits erprobt.«
    Â»Das ist recht. Wie heißt es so schön im Sprichwort: ›Der kluge Mann baut vor‹.«
    Â»Ihr seid zwar ein Teufel«, sagte Wulf, »aber unsympathisch seid Ihr mir nicht. Um die Wahrheit zu sagen, ich finde es schade, dass ich Euch töten muss.«
    Â»Dein Bedauern kommt etwas zu früh, mein Kleiner. ›Man soll das Fell des Bären nicht verkaufen, bevor man ihn erlegt hat‹.«
    Â»Auch das ein schönes Sprichwort, doch hinkt der Vergleich ein wenig, da ich weit und breit keinen Bären sehe.«
    Â»Ehe wir diesen Punkt abklären, möchte ich gern noch eines wissen: Was ist deine Absicht? Du hast eine Armbrust, und vom Fenster schaut man auf den Reichstag. Wen willst du töten?«
    Â»Ich werde erst dich töten und dann Luther, ihr seid beide Teufel.«
    Â»Und du, wer bist du? Der Erzengel etwa?«
    Â»Ich stehe unter dem Schutz der Schwarzen Jungfrau.«
    Â»Die Schwarze Jungfrau – sie wird in meiner Heimat sehr verehrt.«
    Wulf fiel aus allen Wolken. »Ihr wollt behaupten, dass Ihr die Schwarze Jungfrau kennt?«
    Â»Ich habe oftmals zu ihr gebetet.«
    Mit einem Satz war der alte Mann bei Wulf, hob seinen Stock und schlug mit aller Kraft zu. Das gerade Gehörte hatte Wulf so sehr verwirrt, dass ihm keine Zeit zum Ausweichen blieb, nur den Kopf konnte er gerade noch zur Seite legen. Der Stock krachte auf seine linke Schulter. Schmerz und Ärger über seine Dummheit machten Wulf rasend vor Wut, doch ehe er sich wehren konnte, sauste schon der nächste Stockschlag auf ihn nieder. Diesmal konnte er seine Arme rechtzeitig in die Höhe reißen und die schlimmste Wucht des Hiebes abfangen. Der Schmerz, der durch beide Unterarme schoss, war trotzdem höllisch. Ganz gewiss hatte Wulf sich in Wladislaw getäuscht. Er war wirklich ein Teufel, denn nur der Teufel konnte einem alten Körper so erstaunliche Kräfte verleihen. Wulf lief davon, denn nach einem dritten Streich verspürte er wenig Lust. Der Alte verfolgte ihn, wieselflink, den Stock in der Luft schwingend. Es war, als ob Kinder Fangen spielen, denn sie rannten im Kreis um einige Säcke herum. Wulf empfand Scham, er lief vor einem alten Mann weg! Aber dieser Stock war in seinen Händen eine furchtbare Waffe, und zur Flucht gab es keine Alternative. Wulf schaute sich verzweifelt nach etwas um, womit er sich wehren konnte. Wieder sauste der Stock mit dem faustgroßen Knauf durch die Luft und verfehlte ihn um Haaresbreite.
    Wulf rannte nun in eine andere Richtung, weil er an der Wand eine kleine Getreideschaufel entdeckt hatte. Er gewann einen kleinen Vorsprung, fasste die Schaufel, drehte sich um und hielt sie in die Luft. Wladislaw blieb zwei Schritte entfernt von ihm stehen, hielt seinen Stock ebenfalls nach oben. Sie standen sich gegenüber wie zwei Schwertkämpfer. Wulf wollte endlich die

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