Die Lutherverschwörung - historischer Roman
an.«
Er löffelte seine Suppe und beugte den Kopf nach vorn, weil er nicht den Mut hatte, sie anzuschauen.
»Liebst du Anna?«, fragte Hanna.
Er legte den Löffel zur Seite und hob den Kopf, denn so hatte er Hanna noch nie erlebt. Er kannte sie lange genug, um ihr Lächeln zu deuten: Sie verbarg dahinter ihre wirklichen Gefühle.
»Warum antwortest du mir nicht?«
»Weil es nichts mit uns zu tun hat, Hanna.«
»Natürlich nicht.«
Er fasste sie bei der Hand. »Was ist denn plötzlich mit dir los?«
»Ach, das sind nur die verdammten Zwiebeln, die die Magd gerade schält«, erwiderte Hanna.
Jost schaute sich um, die Mägde waren beschäftigt und unterhielten sich, sie hörten ihnen nicht zu. »Ich will dir nicht wehtun«, sagte er.
»Du tust mir aber weh. Und du hast dich völlig verändert, seit du hinter Anna herrennst â übrigens könnte sie ja fast deine Tochter sein, was das Alter betrifft!«
»Da übertreibst du aber maÃlos â¦Â«
»Was bedeute ich dir, Jost?«, fragte Hanna.
»Sehr viel.«
»Bin ich für dich nur eine gute Freundin?«
»Nein, du bist viel mehr als das.«
»Willst du Anna heiraten?«
Er hob die Schultern. »Im Moment weià ich nicht einmal, wo mir der Kopf steht ⦠Also ⦠Ich weià überhaupt nichts.«
»Ich habe mich verändert, Jost«, sagte Hanna. »Ich empfinde heute anders für dich als früher, und ich habe zuletzt immer gehofft, dass wir beide zueinanderfinden würden.«
»Davon hast du nie etwas gesagt.«
»Ich hatte gehofft, dass du es von selbst merkst; dass du dir Ãhnliches wünschst.« Hanna stand auf. »Jetzt habe ich es dir gesagt. Denk darüber nach!«
»Hanna!«
Sie drehte sich um.
»Mit dir ⦠Das ist anders als mit Anna. Du bist für mich mehr wie eine ⦠Seelenverwandte.«
Hanna sagte nichts, drehte sich hastig um, stieà gegen eine der Mägde, entschuldigte sich und war so schnell aus der Küche verschwunden, dass er sie nicht aufhalten konnte.
Jost fühlte sich plötzlich ganz schlecht. Er stand auf, ging zum Tisch und nahm einen der Teller, auf dem mittlerweile auÃer dem Schinken weitere Wurstscheiben lagen. Er griff nach zwei Brotscheiben und legte sie darauf. »Ich gehe zu Luther«, sagte er. »Mehr als rausschmeiÃen kann er mich nicht.«
Jost ging mit dem Teller die Treppe hinauf und klopfte gegen die Tür zur Kammer: Luther schimpfte, man solle ihn in Ruhe lassen.
»Ich bin es, Jost.«
Also gut, er solle hereinkommen.
Jost öffnete die Tür und betrat die Kammer. Auf dem Tisch brannte eine Kerze, Luther saà auf dem Bett, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben. Er hob den Kopf und runzelte die Stirn, als er den Teller sah. »Fängst du auch noch damit an? Ich kann nichts essen.«
Jost stellte den Teller auf den Tisch. »Dies ist der falsche Zeitpunkt zum Fasten«, sagte er. »Du hast einen harten Tag hinter dir und wirst morgen all deine Kräfte benötigen.«
»Kräfte? Wovon redest du?«
Jost war entsetzt über die Müdigkeit in Luthers trüben Augen und darüber, wie monoton seine sonst lebhafte Stimme klang. Er zog einen Stuhl herbei und setzte sich ihm gegenüber.
»Ich bin dankbar, dass du mir die vielen Leute vom Hals hältst«, murmelte Luther. Obwohl er nahe bei ihm saÃ, hatte Jost Mühe, ihn zu verstehen.
»Was ist geschehen?«, fragte Jost. »Warum der Aufschub? Ist das eine juristische Sache? War das mit Hieronymus Schürf so abgesprochen?«
Luther schüttelte den Kopf. »Gar nichts war abgesprochen, nein, das hat mit Schürf nichts zu tun, ich kann es dir selbst nicht recht erklären. Die Situation war völlig anders als erwartet. Ich hatte mit der Möglichkeit gerechnet, Argumente auszutauschen und ausführlich Stellung zu nehmen, ähnlich wie bei einer Disputation. Aber darum ging es überhaupt nicht. Man hat mich den weiten Weg nach Worms machen lassen, nur um ein einziges Wort zu sagen. Willst du deine Schriften widerrufen: ja oder nein? Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoÃen. Darauf war ich nicht vorbereitet.«
»Was wirst du morgen tun?«
»So einfach sollen sie es nicht haben. Ich werde eine kleine Rede vorbereiten, und dafür brauche ich die Bedenkzeit.«
Jost nahm
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