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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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Pferdegespann zur Verfügung. Am Vorabend sollte die Abschiedsfeier im Cranachhof stattfinden, und Lucas hatte entschieden, dass kein Aufwand zu scheuen sei.
    Barbara Cranach plante die Feier – bei ihr liefen alle Fäden zusammen. Etwa fünfzig Gäste wurden für den Abend erwartet. Es war Vormittag, und Anna hörte Barbaras Stimme aus der Küche, wo sie den Mägden Gudrun und Judith und der Köchin Anweisungen gab.
    Sie betrat den Raum. Überall auf den Tischen lagen Würste, Gemüse, Kräuter, Messer und Schöpfkellen; riesige Töpfe und Krüge standen einsatzbereit daneben.
    »Aber das ist zu viel für uns beide«, jammerte Gudrun gerade. »Das können wir unmöglich allein bis heute Abend bewältigen.«
    Ein besseres Stichwort hätte sich Anna kaum wünschen können; manchmal brauchte man eben Glück.
    »Ich kann gern mithelfen«, erklärte sie der Hausherrin.
    Barbara schaute sie überrascht an. »Das kommt ja wie gerufen …«
    »Ich könnte den Wein ausschenken«, schlug Anna vor.
    Judith zog die Brauen zusammen. »Dafür bin ich zuständig!«
    »Genau. Der Wein ist Judiths Sache«, entschied Barbara. »Aber wenn du möchtest, dann hilf doch beim Auftragen der Speisen.«
    Anna willigte sofort ein. Sie ging in ihre Kammer und zog sich um. Den Beutel mit dem Pulver versteckte sie in einer Innentasche ihres Rockes. Das Gift brauche Stunden, bis es wirke, hatte Zainer gesagt, niemand würde Anna verdächtigen. Wenn alles gelang, würde man glauben, Luthers Herz habe versagt, was angesichts der bevorstehenden Reise und aller Aufregungen durchaus glaubhaft wäre. Außerdem klagte er schon seit längerer Zeit, er könne kaum noch atmen und etwas drücke ihm aufs Herz. Wenn man ihm eine Weile zuhörte, konnte man glauben, sein Tod stünde kurz bevor. Dabei trank er kräftig Wein und ließ es sich schmecken …
    Wie würde es sein, wenn alles gelang? Könnte sie zusammen mit Martha ein normales Leben führen? Oder würde sie büßen für das, was sie tat? Würde sie nachts aufwachen, geplagt von Geistern? Wartete das Fegefeuer? Im Moment handelte sie rein mechanisch, wie in einem Alptraum. Aber wenn sie aufwachte – was dann?
    Nachmittags half sie in der Küche und bereitete zusammen mit der Köchin und den Mägden das Festessen vor. Zu viert ging ihnen die Arbeit gut von der Hand. Zwischendurch sprach Anna noch einmal mit Judith, aber die wollte nicht nachgeben: Nein, sie sei für den Wein zuständig. Es war einfach lächerlich, wie ernst die Magd ihre Aufgabe nahm; sie machte förmlich eine Wissenschaft daraus. Anna musste aufpassen, sonst machte sie sich verdächtig. Oder war sie bereits zu aufdringlich gewesen? Der Abend rückte näher.
    Anna hantierte in der Küche, als die ersten Gäste eintrafen: zwei Klosterbrüder. Einer der beiden hieß Johann Pezensteiner und würde Luther nach Worms begleiten. Das galt auch für Peter Swaven, einen Edelmann aus Pommern, der kurz nach den beiden erschien. Der Raum füllte sich, die Gäste nahmen an fünf Tischen Platz. Derweil trafen in der Küche die Köchin, Gudrun, Judith und Anna letzte Vorbereitungen. Die Tür stand offen, sodass Anna zwischendurch immer wieder in den Gästeraum schauen konnte. Dort saß Jost Gessner, der ebenfalls eingeladen war.
    Würde der Pilger Wort halten? Was, wenn Martha bereits zu viel wusste? Wenn sie Dinge gesehen hatte, die sie nicht sehen durfte? Etwas mit Annas Wahrnehmung stimmte nicht: Es betraf im Moment vor allem ihr Gehör. Obwohl die Küchengeräte klirrten, Gudrun und Judith laut plapperten und draußen im Gastzimmer tausend Stimmen durcheinanderschwirrten – Anna empfand den Lärm so, als käme er von sehr weit her. Alles klang seltsam gedämpft, als hätte man die Geräusche in einen weichen Stoff gewickelt. Als Judith vor lauter Aufregung einen Topf auf die Steinfliesen fallen ließ, drang das scheppernde Geräusch erst mit Verspätung zu ihr durch – und dann fiel ihr auf, dass es sich mit allen Geräuschen so verhielt. Vielleicht bin ich schon verrückt, überlegte sie, und weiß es nicht?
    Die meisten Gäste waren eingetroffen. Judith eilte hin und her, um ihnen das Warten mit einem Becher Wein zu verkürzen; einige vermischten ihn mit Wasser. Auch Gudrun war nervös, denn Barbara Cranach, um das Wohl der Gäste besorgt, hielt die Dienerschaft scharf im Auge.
    »Da kommt er!« Gudrun krallte ihre Finger förmlich in Annas Arm – aber sie spürte nichts! Wovon redete Gudrun? Anna schaute ins Gastzimmer, alle standen von

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