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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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KAPITEL 23
    Er hatte wenige Schritte zurückgelegt, als er lautes Wiehern hörte. Wulf blieb wie angewurzelt stehen und drehte sich um; eines der beiden Zugpferde, ein Schimmel, kletterte flussabwärts ans Ufer. Der Anblick kam so unerwartet und wirkte so märchenhaft, dass Wulf gebannt zuschaute. Er musste an einen Bänkelsänger denken, der einmal auf einem Markt Szenen aus einer alten Sage vorgetragen hatte. Die Mähne klebte dem Tier am Hals und Wasser troff aus dem Fell. Ein Stück des abgerissenen Seils, das lose baumelte, trug das Pferd noch bei sich. Mühsam kletterte es über Steinbrocken und näherte sich Wulf. Er tätschelte ihm den Hals und fuhr ihm über die Kruppe. Das Pferd schüttelte sich, sodass ihm die Tropfen ins Gesicht spritzten, dann rieb es seine Nüstern an Wulfs Schulter. Er fasste das Seil. Nebeneinander, wie zwei alte Freunde, gingen sie auf den Gasthof zu.
    Noch bevor er klopfen konnte, wurde die Tür von innen geöffnet. Sogleich erkannte er die Frau, von der der Kapitän gesprochen hatte: Johanna stand in ihrer ganzen Fülle vor ihm; über ihrer roten Jacke und dem blauen Rock leuchtete eine weiße Schürze. Als sie sah, dass Wulf stolperte und zu fallen drohte, packte sie ihn an der Schulter und stützte ihn. Er klammerte sich mit der linken Hand an ihre Jacke, während er mit der rechten das Seil nicht loslassen wollte.
    Sie brachte ihn in den Gastraum und setzte ihn auf einen Schemel; Wulf sackte zur Seite und wäre fast heruntergekippt. Johanna nahm seinen Kopf in beide Hände und betrachtete aufmerksam sein Gesicht. »Du kannst ja kaum noch die Augen offen halten, mein Kleiner«, sagte sie. Etwas an ihr erinnerte ihn an seine Mutter, die allerdings schmal und klein gewesen war. »Du musst das nasse Zeug ausziehen, sonst holst du dir den Tod. Kannst du aufstehen?«
    Wulf begriff erst jetzt, dass er an einem Tisch saß. Er stützte sich mit den Handflächen auf die Holzplatte und versuchte sich aufzurichten, knickte aber weg und wäre mit dem Gesicht auf das Holz geschlagen, hätte Johanna ihn nicht abgefangen.
    »So geht das nicht«, sagte sie und begann, ihn im Sitzen auszuziehen. Zuerst machte sie seinen Oberkörper frei.
    »Schöne neue Sachen trägst du … Du musst einen guten Schneider haben.«
    Wulf wollte ihr erklären, von wem die Sachen stammten. Er öffnete die Lippen, aber die Worte formten sich nicht. Sie zog ihm seine Schuhe aus und die Hosen, bis er ganz nackt war, drückte ihn hier und da und fragte, ob er das spüre und ob es wehtue. Dann schüttelte sie den Kopf. »Du hast offenbar mehr Glück gehabt als Verstand. Du hast Prellungen an den Rippen, aber es ist nichts gebrochen. Bleib sitzen! Ich bin gleich wieder da.« Sie kam mit einem großen Tuch zurück und rieb ihn von oben bis unten trocken. Die Kleider hatten kalt und unangenehm am Körper geklebt, erst jetzt, während sie ihn rieb, ihn mit dem rauen Stoff kratzte und seine Haut sich rötete, drang Wärme in seinen Körper. Wulf fühlte sich plötzlich geborgen, es war ein herrliches Gefühl.
    Eine Kerze brannte auf dem Tisch und auf der Kommode stand eine Öllampe; sonst war es dunkel. Das Draußen existierte nicht mehr, alle Geräusche hörten sich gedämpft an, der Sturm brauste und heulte nicht länger, er klang nur noch wie ein fernes Echo in den Ohren. Der Geruch von Essen hing verlockend in Johannas Kleidung und Wulfs Magen knurrte, aber selbst der Hunger war machtlos gegen die alles überwältigende Müdigkeit, nun, da er sich in Sicherheit wusste.
    Er hörte Johanna noch sagen: »Schlaf, mein Kleiner!« Dann fielen ihm die Augen zu. Als Letztes nahm er wahr, wie sie ihn mit ihren starken Armen unterfasste und hochhob; ganz leicht kam er sich vor. Roch sie nicht wie seine Mutter? Er glaubte sogar einen feuchten Kuss auf der Stirn zu spüren, dann schwand sein Bewusstsein.
    Als er wieder erwachte, war es immer noch dunkel. Er lag in einem warmen und weichen Bett; wahrscheinlich das herrlichste Bett aller Zeiten. Er schloss schnell die Augen, um die Köstlichkeit des Augenblicks zu bewahren. So gut hatte er sich seit Jahrzehnten nicht gefühlt, seit er ein kleines Kind gewesen war. Wo befand er sich? Das wusste er im Moment nicht. Aber bei wem, das wusste er, bei der guten Johanna. Von wem stammte die Bezeichnung noch gleich? Richtig, der Kapitän. Nun erinnerte er sich an den Sturm und sein Glück im Unglück, aber was jenseits des Sturms lag, interessierte ihn nicht, weil er spürte, dass es

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