Die Lutherverschwörung
Wittenberg bleiben, dort wo du bist und auch Martha, die ich ins Herz geschlossen habe und für die ich mich verantwortlich fühle, seit wir sie befreiten.«
»Siehst du denn einen Weg, um das zu verwirklichen?«, fragte Anna.
»Vielleicht gibt es tatsächlich einen Weg«, erwiderte Jost, »denn die Wittenberger Bürgerwehr braucht in Kürze einen neuen Hauptmann. Das habe ich über mehrere Ecken erfahren.«
»Nicht schlecht«, meinte Anna, »und ein vergleichsweise ruhiger Posten …«
»Ja, aber deshalb bin ich auch nicht der Einzige, der ihn will.«
»Dann musst du den Fürsten überzeugen, er ist doch hier in Worms. Warum sprichst du nicht mit ihm darüber?«
»Ich muss erst diese Sache zu Ende bringen, dann habe ich den Kopf frei.«
Mit ihrer Hand, die die ganze Zeit auf seiner gelegen hatte, fasste sie seinen Nacken, zog ihn näher zu sich heran und gab ihm einen Kuss. »Was hast du heute Abend noch vor?«
KAPITEL 29
Bischof Brangenberg und seine Hofleute bewohnten das Haus eines Wormser Patriziers, der sich außerhalb der Stadt bei Verwandten aufhielt. Für die Miete, die er zahlen musste, war Wucher ein zu mildes Wort. Seine Mätresse, die Jutta hieß und in einem Kloster aufgewachsen war, hatte Brangenberg nach Worms begleitet, denn er bildete sich ein, ohne sie nicht leben zu können; allerdings durfte niemand davon wissen, denn offiziell lebte der Bischof zölibatär. Er bat sie also, das Haus nicht zu verlassen.
»Dann wirf mich doch gleich ins Gefängnis«, sagte sie in einem Tonfall, den er ausgesprochen giftig fand. »Du hältst mich wohl für deine Sklavin.«
»Warum musst du nur immer so übertreiben?«
»Von wegen! Ich fühle mich überwacht und eingesperrt – das ist ja schlimmer als im Kloster. Hätte ich nicht zu Hause bleiben und auf dich warten können? Eine kleine Trennung schadet nicht, aber du hast kein Vertrauen zu mir.«
»Unsinn! Natürlich vertraue ich dir.«
»Du willst mich nur in deiner Nähe haben, um mich besser überwachen zu können. Und das wegen deiner lächerlichen Eifersucht! Demnächst lässt du noch Eunuchen für dich arbeiten …«
Sie war nicht zu bändigen, täglich fochten sie Kämpfe aus.
»Was hast du vor? Willst du mich zu den Sitzungen begleiten?«
»Pah, das überlasse ich euch Männern. Aber ich werde dieses Haus verlassen, wann immer ich das möchte.«
»Was willst du in der Stadt?«
»Ich will nicht das Gefühl haben, als sei ich bei lebendigem Leib begraben.«
»Man wird dich sehen, Jutta.«
»Soll man doch!« Sie warf ihren Kopf hin und her, sodass langes, kohlschwarzes Haar durch die Luft flog. Ihre Augen funkelten. »Soll man doch!«, wiederholte sie angriffslustig.
Er gab wie üblich klein bei. Immerhin konnte er sie überreden, den Hintereingang zu benutzen, immerhin gestand sie ihm zu, sich unauffällig zu kleiden und ein Kopftuch zu tragen. So trieb sie sich in der Stadt herum und spielte mit dem Feuer, während er sich verwundbar fühlte, denn schon ein Verdacht konnte ihm schaden: Semper aliquid haeret – irgendetwas blieb immer hängen.
»Was machst du in der Stadt?«, erkundigte er sich.
»Ich laufe durch die Straßen, manchmal kaufe ich etwas.«
»Hat dich jemand angesprochen?«
»Weshalb fragst du?«
»Bist du Leuten begegnet, die dich kennen?«
»Du hast Angst, Brangenberg. Was befürchtest du? Lässt du mich verfolgen?«
»Um Gottes Willen, nein.«
»Ich warne dich: Wenn mir jemand nachläuft, packe ich meine Sachen und verschwinde.«
»Du immer mit deinen Drohungen! Warum kann ich mich nicht auf dich verlassen?«
»Siehst du, genau das meine ich: Du misstraust mir!«
Manchmal schrien sie sich an, aber eine halbe Stunde später lag er an ihrer Brust, und sie spielte mit den Fingern in seinen Haaren. Selbst während der Sitzungen ging ihm Jutta nicht aus dem Kopf. Dabei hatte er Sorgen genug, denn der Reichstag entschied über seine Zukunft. Viel Zeit verbrachte er mit dem Mainzer Kurfürsten Albrecht von Brandenburg, bei dem er sich Rat holte und der wusste, wie man an Kredite kam und Ämter kaufte; der wusste, wie man mit Rom verhandelte und wie viel man zahlte für ein zweites Bistum. Der sächsische Kurfürst Friedrich war Albrechts Todfeind, und diese gemeinsame Abneigung war ein starkes Bindeglied zwischen Brangenberg und dem Mainzer.
Der Reichstag tagte in verschiedenen Gremien. Manche Sitzungen leitete der Kaiser, andere wiederum Albrecht in seiner Funktion als oberster Kurfürst des Reiches. Nur in
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