Die Macht der Angst (German Edition)
Polizei dazu bringen, einen Haftbefehl gegen dich zu erwirken. Auf welcher Grundlage weiß ich nicht, aber sie werden sich bestimmt etwas einfallen lassen.« Sie seufzte schwer. »Dabei hatte ich mich schon so sehr auf die Gehirnwäsche gefreut.«
»Die lässt sich auch sehr effektiv in einem Hotelzimmer durchführen«, versicherte er ihr. »Wir werden gute Resultate erzielen, das verspreche ich dir. Dein Gehirn wird hinterher blitzsauber sein.«
Edie prustete vor Lachen. »Warum sind wir dann überhaupt hier?«
»Ich brauche das eine oder andere aus meiner Wohnung. Ein paar zusätzliche Schusswaffen und Messer, etwas Bargeld. Dieses und jenes halt.«
Edie klappte die Kinnlade runter. »Zusätzliche … du willst damit sagen, du bist bewaffnet? Du trägst jetzt gerade eine Pistole bei dir?« Ihre Stimme überschlug sich bei den letzten Worten.
»Selbstverständlich. Ich bin immer bewaffnet. Wirf mal einen Blick in mein Gesicht, Edie. Kannst du es mir verübeln?«
Damit hatte er nicht ganz unrecht, trotzdem löste sein sachlicher Ton leichte Panik bei ihr aus. »Oh Gott, Kev. Das macht die Situation nur schlimmer. Sie könnten das gegen dich verwenden, dich als gefährlich und wahnsinnig darstellen –«
»Ich habe nie behauptet, dass ich sie benutzen werde. Ich stelle sie auch ganz sicher nicht zur Schau. Trotzdem habe ich immer eine Waffe dabei. Fehlende Wachsamkeit kann einen das Leben kosten.«
Edie zwang sich, diese brutale, kalte Einschätzung der Realität zu akzeptieren, ohne sich vor Angst in die Hose zu machen. »Wir müssen auch noch bei mir vorbeifahren«, murmelte sie. »Ich brauche ein paar Klamotten. Unterwäsche. Ich kann morgen schlecht mit nacktem Hintern in diesem Nuttenkleid herumlaufen.«
Kev zupfte an dem zerknitterten plissierten Chiffon. »Ich liebe dieses Kleid. Wir werden es behalten. Meine Handflächen fangen an zu schwitzen. Ich kann kaum atmen, wenn ich dich in dem Ding ansehe.«
Die Luft knisterte. Edie musste sich bewusst entspannen, um Sauerstoff in ihre Lungen zu pumpen, damit sie sprechen konnte. »Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren«, flüsterte sie.
»Auf das Wesentliche«, wiederholte er samtweich. »Richtig.«
Galant hatte Kev bereits das Auto umrundet, um ihr beim Aussteigen zu helfen, ehe sie auch nur den Türgriff fand.
Er wohnte in einem eckigen Klinkerbau ohne jeden Schnickschnack. Das hallenartige Treppenhaus mit den breiten, aus Stahl und gegossenem Beton bestehenden Stufen und dem massiven, vergitterten Lastenaufzug entpuppte sich als ebenso schmucklos.
»Lass uns lieber die Treppe nehmen«, schlug Kev vor. »Mein Nervenkostüm ist momentan zu dünn, als dass ich in einen Käfig steigen möchte. Da fühle ich mich klaustrophobisch.«
»Einverstanden«, sagte sie. Und tatsächlich bereiteten ihr die vielen Stufen mit Kevs Arm um ihre Taille überhaupt keine Mühe. Sie schwebte einfach hinauf. Nach all dem Stress und der emotionalen Gewalttätigkeit dieses Abends war ihr noch immer schwindelig. Sie schwebte dahin.
Seine Tür protzte mit einer beeindruckenden Anzahl Furcht einflößend wirkender Schlösser, und Kev inspizierte jedes einzelne aufmerksam, bevor er die Tür aufstieß. Er trat ein, ließ Edie jedoch noch einen Moment im dunklen Eingang warten, ehe er sie nach drinnen zog und die Tür hinter ihnen schloss. »Ich will kein Licht anmachen«, sagte er.
»Kein Problem. Ich sehe auch so ganz gut.«
Selbst ohne elektrische Beleuchtung war das Apartment erfüllt von diffusem Licht. Die Ausmaße waren gigantisch, die Decken unvorstellbar hoch. Es wirkte schlicht, beinahe leer. Die Wände bestanden aus unverputztem rotem Backstein. Riesige, mannshohe Bogenfenster säumten die gegenüberliegende Wand und ließen schimmerndes Licht von draußen herein, das sich in den Dielenböden spiegelte. Die Fenster mussten ursprünglich dazu entworfen worden sein, den Einfall des Tageslichts für die hier vor hundert Jahren unter ausbeuterischen Bedingungen arbeitenden Kleidermacher zu maximieren, war Edie klar, trotzdem war der Effekt atemberaubend. In der Ecke, die der Eingangstür am nächsten war, befand sich eine geräumige Küche, in deren Mitte eine Kochinsel samt Herd und Spüle. Außerdem gab es eine Büronische, darüber Dachfenster, durch die das gedämpfte orangefarbene Licht der Straßenlaternen, das von den Wolken reflektiert wurde, hereinfiel. Edie schlenderte in die Mitte des Apartments. Am anderen Ende standen eine Sofagruppe und ein
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