Die Macht der Angst (German Edition)
unbehaglichen letzten fünf Minuten wettmachen. Und dabei musste es nicht bleiben. Ava hatte erwähnt, dass McCloud das prototypische X-Cog-Versuchskaninchen sei. Zäh genug, um ihm für eine ganze Weile die Sklavenkrone aufzusetzen und mit ihm zu spielen. Des könnte den Kerl wahrscheinlich sogar selbst krönen, ohne ihm zuvor Verbrennungen zuzufügen. Er machte sich gar nicht so schlecht als X-Cog-Master, ganz gleich, wie sehr Ava ihn kritisierte und auf ihren bescheuert hohen Ansprüchen hinsichtlich rudimentärer Muskeln, Sprachsteuerung und umgekehrter sensorischer Information und dem ganzen Kram pochte. Sie sollte ihn mit den Details verschonen. Es war ja nicht so, als wollte er den Mann dazu bringen, Kreuzstickerei zu erlernen.
Des würde den arroganten Drecksack krönen, ihn katzbuckeln und vor ihm kriechen lassen. Larsen würde Purzelbäume schlagen, vom Boden essen, bellen wie ein Hund, ihm die Schuhe lecken.
Ja, das würde Larsens Leben sein. Das wenige, das ihm noch blieb. Bevor er aus sämtlichen Körperöffnungen zu bluten begann und auf dem Totenacker landete.
Das Handy schnurrte in seiner Hand und unterbrach seine gedankliche Schwelgerei. Das Display verriet, dass es Ava war. Ihr zehnter unbeantworteter Anruf, seit er das Hotel verlassen hatte. Dieses kontrollsüchtige Biest konnte ihn nicht einfach seinen Job machen lassen. Er stellte das Handy auf stumm und steckte es, ohne ranzugehen, wieder in die Tasche. Ava konnte warten.
Er bog um die Ecke zur Intensivstation. Die Parrish-Familie hatte sich dort versammelt: dieses knochige, gerupfte Huhn von einer Schwester – leider machte sich Charles Parrishs scharfe, maskuline Attraktivität nicht gut in ihrem Gesicht. Ihre Tochter, Charles’ pummelige, dümmlich dreinblickende Nichte Tanya. Die niedliche jüngere Tochter, Veronica, die zart und verletzlich wirkend auf einem Stuhl weinte. Sie hatte die gleichen großen, klaren Augen wie Edie. Des ließ den Blick über ihre Figur in dem schlichten lavendelfarbenen Chiffonkleid wandern. Sie war im Knospen begriffen. Das kam ihm gut zupass. Gelegentlich bevorzugte er extrem junges Frischfleisch. Eine Geschmacksrichtung, die er während des Studiums von Tom übernommen hatte.
Die verschrumpelte Ziege in ihrem perlenbesetzten schwarzen Chiffon eilte zu ihm. »Desmond! Gott sei Dank. Haben Sie sie gesehen? Haben Sie diesen … diesen unmöglichen Menschen gesehen, mit dem sie zusammen ist? Verstehen Sie jetzt, was ich meinte?«
Des nickte und umarmte die Frau, wobei er sorgsam darauf achtete, den pudrigen Gestank ihres Parfums nicht einzuatmen. »Aber gewiss, Mrs Morris«, sagte er. »Wenn man bedenkt, dass er eines von Ostermans Opfern war und auf welche Weise er Charles vor achtzehn Jahren attackierte, ist er bestimmt nicht nur hirngeschädigt, sondern auch geisteskrank. Er stellt eine tödliche Gefahr dar, in erster Linie für Edie. Sie ist ihm komplett hörig.«
Evelyn zuckte theatralisch zusammen. »Das wissen wir.«
»Mir kam er nett vor«, wandte Veronica rebellisch ein.
»Rede nicht über Dinge, von denen du nichts verstehst«, schalt ihre Tante sie.
Das Handy brummte wieder. Des fischte es heraus und erwartete, erneut Avas Namen auf dem Display zu sehen, aber es war Wanatabe. Er lächelte die Frauen entschuldigend an. »Ja?«
»Wir haben sie verloren«, informierte Wanatabe ihn.
Des verschlug es für einen Augenblick die Sprache. »Was?«, ächzte er.
»Er war plötzlich verschwunden.« Wanatabe klang defensiv. »Ich habe keinen Blassen, wie er uns abgehängt hat, aber er –«
»Das interessiert mich nicht.« Des legte auf und lächelte die Frauen beruhigend an. Der Rest von ihm wollte jaulen wie ein hungriger Hund.
»Ich weiß nicht, was ich von Edies wilder Behauptung, dass Onkel Charles angeblich vergiftet wurde, halten soll«, meldete sich Tanya zu Wort. »Ich meine, die einzige Person, die dafür ein Motiv haben könnte, ist dieser Typ. Und die Person mit der besten Gelegenheit war Edie. Man muss nur zwei und zwei zusammenzählen. Es liegt auf der Hand.«
Des schaute sie an und gab sich verblüfft über ihre unglaublich intelligente Schlussfolgerung. »Mein Gott, Tanya! Sie haben vollkommen recht! Ich kann nicht glauben, dass ich da nicht selbst draufgekommen bin. Sie sind ungewöhnlich scharfsichtig.«
Tanya lächelte affektiert. »Weibliche Intuition, schätze ich.«
»Sobald das Labor die Testergebnisse hat, wird man vermutlich einen Polizeibeamten mit dem Fall betrauen«,
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