Die Macht der Angst (German Edition)
Arzt ihrer Mutter dazu überreden müssen, es ihr vorzuschlagen. Es hätte bestimmt einen besseren Weg gegeben.
Edie schob die Trauer und den Frust beiseite, bevor sie einen neuen Anlauf unternahm. »Okay, Dad, vergiss die Signierstunde. Ich will nicht mit dir streiten. Lass uns über etwas anderes reden, einverstanden?«
Ihr Vater stierte mit schmalen Lippen in sein Weinglas. »Du willst einfach nicht begreifen, Edith. Indem du weiterhin auf diesem Vorfall herumreitest, haust du ihn mir immer wieder um die Ohren. Ich kann ihn nicht ad acta legen, ganz egal, wie sehr ich es versuche. Seine Brüder kamen, um mich zu drangsalieren. Sie haben mich für diesen entsetzlichen Albtraum verantwortlich gemacht! Mich persönlich! Verstehst du?«
Sie guckte ihn wie vom Donner gerührt an. »Wovon um alles in der Welt sprichst du? Von wem, Dad? Wessen Brüder?«
Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Stell dich doch nicht dumm. Die Brüder dieses … dieses Menschen. Von dem, den du gesehen hast, während dieses Zwischenfalls bei Flaxon.«
»Er hatte Brüder? Sie sind zu dir gekommen?« Ein Frösteln überlief ihren Rücken. »Dann weißt du also, wer er ist?
Wo
er ist?«
»Nein! Ich weiß nicht das Geringste über ihn«, zischte er. »Ich bedaure zutiefst, was ihm widerfahren ist, aber vermutlich ist er inzwischen tot. Osterman hat im Zuge seiner abartigen, illegalen Forschung eine Menge Menschen zugrunde gerichtet, und dieser bedauernswerte Mann war einer von ihnen. Ich habe das Ganze unwissentlich finanziert, Edith. Das ist etwas, mit dem ich mich jeden Tag meines Lebens auseinandersetzen muss! Und dein albernes Comic-Buch ist dabei alles andere als hilfreich.«
Von Schuldbewusstsein übermannt, senkte sie den Blick. »Es tut mir leid.«
»Seine Brüder machten mich verantwortlich für das, was ihm zugestoßen ist«, fuhr er hitzig fort. »Das brachte mich in eine schreckliche Position. Was Osterman diesen Menschen antat, war verabscheuungswürdig, aber ich war genauso ein Opfer, Edith. Das Gleiche gilt für Helix und die Parrish Foundation. Wenn ich nur daran denke, was Osterman mit dir auf dieser Oase angestellt hat …« Er verzog angewidert den Mund. »Gott. Was immer dort geschehen ist, hat diese Wahnvorstellungen, unter denen du leidest, ausgelöst. Hätte ich geahnt, wer dieser Mensch in Wirklichkeit war, hätte ich dich niemals in seine Nähe gelassen! Ich habe versagt darin, dich zu beschützen, Edith. Und auch damit muss ich leben. Das ist nicht einfach für mich, glaube mir.«
Überrascht und bewegt schaute sie ihn an. Da war etwas in seinen Worten, das wie echte Sorge um sie klang. Wow. Das war selten. Und kostbar.
Einmal außer Acht gelassen, dass die Wahnvorstellungen keine Wahnvorstellungen waren und sie ihrem Vater bereits mit vierzehn Jahren gesagt hatte, dass Osterman irrte und böse war. Aber Charles Parrish war niemand, der eher auf ein depressives, leistungsschwaches junges Mädchen hörte als auf einen angesehenen Wissenschaftler, der profitable Patente für Helix entwickelte. Aber Schwamm drüber. Man musste die Vergangenheit irgendwann ruhen lassen.
Impulsiv fasste sie über den Tisch und berührte die Hand ihres Vaters.
Charles Parrishs Finger zuckten, als wollte er sie wegziehen und müsse sich durch pure Willenskraft zwingen, sie zu lassen, wo sie waren.
»Das ist einer der Gründe, warum ich mich zur Ruhe setze«, fuhr er hölzern fort. »Ich möchte es mir zur Aufgabe machen, die Finanzen der Parrish Foundation auf bewusste, ethische Weise zu verwalten, was beinhaltet, alles zu überprüfen, was mit unserem Geld geschieht. Mir wird nie wieder etwas entgehen. Ich werde jedem gottverdammten Penny nachspüren.«
Edie drückte seine Hand. »Das ist gut, Dad.«
Er räusperte sich. »Es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte. Dir ist sicherlich bewusst, dass in sechs Wochen das Festbankett anlässlich meiner Pensionierung stattfindet. Ich möchte, dass du daran teilnimmst. Das hätte auch dem Wunsch deiner Mutter entsprochen. Um zusammen mit Ronnie die Familie zu repräsentieren.«
Edie war sich da nicht so sicher, sah jedoch keinen Sinn darin, es laut auszusprechen. Ihre Mutter hatte sich ihrer linkischen, unberechenbaren Tochter noch mehr geschämt, als ihr Vater es tat. Sie betrachtete sein attraktives, vom flackernden Kerzenlicht beschienenes Patriziergesicht. Er sah nicht wie vierundsechzig aus, sondern wirkte zehn Jahre jünger. Fit und elegant, mit erst wenigen silbrigen
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