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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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Weinglases und stieß es um. Ohne es zu merken, hatte sie in das offene Skizzenbuch gekritzelt; eine ganzseitige Zeichnung, die das Gesicht und den Oberkörper ihres Vaters wiedergab. Wein schwappte auf das Papier, den Tisch und über ihren Schoß.
    Eine Entschuldigung murmelnd, nahm Edie hastig eine Serviette und tupfte an ihrem Rock herum. Sie war eine notorische Kritzlerin, seit sie einen Stift halten konnte, aber nach der Oase, als die Zwischenfälle begannen, hatten ihre Eltern die Geduld damit verloren.
    »Ich sollte jetzt besser den strategischen Rückzug antreten«, verkündete Charles Parrish und stand auf. »Bevor ich mir noch meine Zukunft weissagen lassen muss. Bitte, Edith! Tu das niemandem an! So etwas will keiner hören! Und nimm verdammt noch mal deine Tabletten!«
    »Ich werde es versuchen«, versprach sie, sich auf seine erste Bitte, nicht auf die letzte beziehend. »Kann ich … würdest du Ronnie zumindest ausrichten, dass ich –«
    »Nein!«, bellte er ungehalten. »Ich werde mich für dich mit Tanya und Evelyn in Verbindung setzen. Plane es zeitlich ein und vereinbare außerdem vor dem Bankett einen Termin bei ihrem Stylisten und ihrer Visagistin. Haben wir uns verstanden?«
    Sie nickte stumm, dann war er weg. Wenigstens mussten sie sich nicht mit der steifen, unbeholfenen, Brillen verrückenden Umarmung abmühen, dachte sie niedergeschlagen. Ihr Vater scheute jeden körperlichen Kontakt mit ihr.
    Fang bloß nicht an zu heulen. Nicht in aller Öffentlichkeit. Denk noch nicht mal dran
. Edie schnüffelte die Tränen zurück, schluckte, blinzelte. Sie war froh um ihre Brille und den Vorhang ihrer Haare, die ihr etwas Privatheit gaben. Ihr Vater zahlte gerade. Dann ging er. Ohne einen Blick zurück, ohne ein Winken. Ihre Treffen endeten immer so. Egal, wie sehr sie sich ins Zeug legte.
    Der Resthaarkünstler mit der drogensüchtigen Tochter und dem ADS -Enkel vertilgte seinen Schokoladenmousse-Kuchen mit derselben grimmigen Entschlossenheit wie zuvor sein Rippensteak. Oje, dachte sie, während sie ihn beobachtete. Wenn sie wollte, könnte sie noch weiteren Schaden anrichten. Alles, was sie diesem armen Mann zu sagen hätte, würde, so verstopft, wie seine Arterien bestimmt waren, eine massive Herzattacke bei ihm auslösen.
    Welch angemessenes Ende das für einen Abend wie diesen wäre. Ein weiteres Opfer, das sie ihrem überbordenden Schuldbewusstsein hinzufügen könnte. Als wäre der Tod ihrer Mutter nicht schon Last genug. Und Ronnie, die sich von ihr im Stich gelassen fühlte.
    Sie sollte das Zeichnen komplett an den Nagel hängen und sich von diesem Teil ihres Ichs lossagen. So tun, als existierte er nicht. Doch das war unmöglich. Es war wie eine Drogenabhängigkeit. Edie konnte diesem freien, erfüllenden, sie erdenden Gefühl einfach nicht widerstehen.
    Nein, es waren ausschließlich die Konsequenzen, die sie nicht ertrug.
    Seufzend machte sie sich daran, ihre Füller, Kohlestifte und Skizzenbücher einzusammeln, dann verstaute sie alles in ihrer voluminösen Schultertasche. Sie würde sich direkt und ohne nach rechts oder links zu sehen auf den Heimweg machen und die Tür hinter sich zusperren. Wer würde je davon erfahren, wenn sie dann im Dunkeln weinte?
    Sie nahm die Serviette und tupfte erneut an dem Skizzenbuch herum, in der Hoffnung, zumindest ein paar der Blätter zu retten –
    Wie versteinert starrte sie auf die Zeichnung ihres Vaters. Er wirkte still und kalt wie ein Monolith. Der Wein, der sich darüber verteilt hatte, gab der steifen, aufrechten Gestalt mit dem missbilligenden Mund und der langen, schmalen Nase den Anschein, als habe sie in Blut gebadet.
    Ein Schauder durchfuhr sie, als sie diesen vagen und zugleich vertrauten Trommelschlag drohenden Verhängnisses verspürte.
Ich sollte jetzt besser den strategischen Rückzug antreten. Bevor ich mir noch meine Zukunft weissagen lassen muss
, hallten seine Worte durch ihren Kopf. Er würde ihr niemals Gehör schenken, wenn sie ihn zu warnen versuchte. Sie konnte ihm genauso wenig helfen, wie sie ihrer Mutter hatte helfen können. Edie konnte nichts weiter tun, als den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    Aber ihr Vater befand sich in tödlicher Gefahr.
    Das kleine Mädchen schwebte gleich einem Schmetterling über die zerklüfteten Felsen der Traumlandschaft; mal flatterte es außer Sicht, dann kehrte es zurück. Es war barfuß, dünn, mit einer weißen Tunika bekleidet und hatte langes, dunkles Haar. Als es zu ihm zurückschaute,

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