Die Macht der Angst (German Edition)
Andererseits hatte genau diese Fähigkeit ihren Dad am Ende den Verstand gekostet.
Dad
. Es erschütterte Kev bis ins Mark, plötzlich wieder freien Zugang zu seinen Kindheitserinnerungen zu haben. Und sie waren so lebendig. Unverblichen und unbefleckt durch Zeit und Abnutzung, so wie die Erinnerungen normaler Menschen. Sie waren in seiner geistigen Festung in makellosem Zustand erhalten geblieben. Es schockierte ihn, Cons und Davys Gesichter um zwei Jahrzehnte gealtert zu sehen.
Und dann war da noch Bruno, der auf dem Vordersitz vor Wut schäumte. Kev hatte ihm ordentlich die Leviten gelesen, weil er Edie aus den Augen gelassen hatte. Sein Bruder war gekränkt und höllisch eingeschnappt. Kev hatte nicht die Energie, sich damit auch noch zu befassen. Er würde Bruno später aus seinem Schmollwinkel locken.
Nachdem sie Sean und Liv in die Klinik gebracht hatten, waren sie als Erstes zurück zu dem Lagerhauskomplex gefahren, wo Kev und Yuliyah gefangen gehalten worden waren, und hatten, darauf vertrauend, dass sie nicht von irgendwelchen Wachleuten beobachtet wurden, Videokameras an den Ausgängen installiert.
Sie hatten in regelmäßigen Abständen Repeater an Bäumen und Lichtmasten angebracht, um das Signal so zu verstärken, dass es bis zu einem Ort reichte, wo sie den Van diskret parken konnten. Seitdem kauerten sie still und angespannt darin. Davy hatte ein WiFi-Funknetz gefunden und tippte nun auf einem Laptop herum, tätigte Anrufe, forderte Gefälligkeiten ein. Er hatte sowohl von Ava Cheungs als auch von Des Marrs Wagen Marke und Modell herausgefunden.
Jetzt mussten sie sich nur noch überlegen, was sie als Nächstes tun sollten.
Der rauchgraue Chevy-Astro-Van, in dem sie saßen, gehörte Alex Aaro, einem wortkargen, einsilbigen Army-Rangers-Kumpel von Davy, der kürzlich nach Portland gezogen war und seine eigene Sicherheitsberatungsfirma gegründet hatte. Aaro saß hinterm Steuer, Bruno neben ihm. Miles, Con, Davy und Kev, die sich auf die Rückbank quetschten, duellierten sich um die verbliebenen Sauerstoffmoleküle, wobei ihnen der ranzige, stressbedingte Schweiß der anderen in die Nase drang.
Kurz nachdem sie hier Stellung bezogen hatten, war Marr aufgetaucht. Er hatte seinen silberfarbenen Jaguar durch das Tor und auf das Gebäude zugesteuert, in dem Kev gefangen gehalten worden war. Er war ausgestiegen und hineingegangen.
Kev starrte auf den Monitor und zerbrach sich den Kopf darüber, was sie tun sollten. Dem Wagen den Weg abschneiden, wenn Marr wieder herausfuhr? Ihm folgen oder ihn hinter dem Lenkrad hervorzerren und ihm die Scheiße aus dem Leib prügeln? Den Aufenthaltsort der gekidnappten Mädchen aus ihm herauspressen? Wenn er dichtmachte, wären Yuliyahs Leidensgenossinnen verloren.
Und warum zum Teufel rief Edie nicht an? Wie konnte ihre jüngere Schwester an einem Tag wie diesem ihr Handy ausschalten?
Es sei denn, man hatte sie gezwungen, es auszuschalten
.
Er erschauderte. Con, der gerade in sein Handy gesprochen hatte, spürte es. Er tätschelte Kevs Schulter, bis dieser den Kopf hob und seinem älteren Bruder in die Augen sah. »Alles in Ordnung?«, fragte Con.
Kev quittierte das mit einem vielsagenden Blick und sackte wieder in sich zusammen.
Con führte sein Gespräch weiter, beließ die Hand dabei jedoch auf Kevs Schulter. »… okay, wie auch immer, aber sag Nick und Becca, dass sie ihre Hintern so schnell wie möglich hierherschaffen sollen. Ich will noch jemand anderen außer Val … ja, ja, ich weiß, aber diese Kerle sind tödlich, und sie verfügen über ernst zu nehmende Ressourcen.«
Als er das Gespräch beendete, fing er Kevs fragenden Blick auf. »Das war Seth«, erklärte er. »Ein uralter Freund. Er ist der Bruder meines Ex-Partners beim FBI . Mein Partner wurde von einem Mafiaboss getötet. Seth hat uns geholfen, den Mafiaboss zu töten.«
»Und dann hat er die Tochter des Mafiabosses geheiratet«, setzte Davy lakonisch hinzu.
Kev war perplex. »Wirklich? Sie hat ihm das mit ihrem Vater nicht übel genommen?«
Con und Davy wechselten einen Blick. »Es ist kompliziert«, meinte Con ausweichend. »Eine lange Geschichte. Du wirst ihn heute Abend kennenlernen. Seine Frau Raine und Jesse, ihr Baby, werden heute nach Stone Island, in die San Juans, fahren. Zusammen mit Margot und Erin und den Kindern.«
»Kinder?« Sein Blick flog von einem zum anderen. »Ihr habt beide Kinder?«
»Ja, zwei«, bestätigte Con. »Mein Jüngstes ist zwei Monate alt. Madeline.
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