Die Macht der Angst (German Edition)
erklären?«
Kev zog die vier Fade-Shadowseeker-Romane, die sie für ihn signiert hatte, aus der Tüte der Buchhandlung und breitete sie so auf dem Tisch aus, dass sämtliche Cover sichtbar waren. »Sie scheinen alles über mich zu wissen.«
Edies Unbehagen verstärkte sich. »Diese Geschichten sind reine Fiktion«, sagte sie. »Vollständig und uneingeschränkt Produkte meiner Fantasie.«
»Ach ja?« Er schlug den dritten Band,
Orakel der Nacht,
auf und blätterte ein Stück weiter.
»Sehen Sie das hier? Wo Fade den Wasserfall hinabstürzt?«
Edie lehnte sich vor und warf einen Blick darauf. »Sicher. Das habe ich ja gezeichnet. Was ist damit?«
»Genau das Gleiche ist mir vor vier Monaten passiert.«
Sie blinzelte ihn hilflos an, während sie sich ein Dutzend verschiedene Erwiderungen auf diese absurde Behauptung überlegte und wieder verwarf. Schließlich blätterte sie zur Copyright-Seite und tippte mit dem Finger darauf. »Sprechen Sie mir nach«, forderte sie ihn auf. »Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig.«
»Aber es ist wahr«, beharrte er. »Der Vorfall ist öffentlich bekannt. Er ereignete sich am 24. Juli. Sie können in den Online-Archiven des
Oregonian
nachlesen.«
Edie fragte sich, wohin dieses Spiel führen würde. Vielleicht in eine Falle, in die sie besser nicht tappen sollte. »Ich habe das Buch früher geschrieben«, sagte sie. »Bereits vor einem Jahr. Sie könnten es davor gelesen haben.«
Seine Lippen zuckten belustigt. »Sie denken, ich habe das Ganze inszeniert? Haben Sie mal einen Blick über die Fallkante der Schwalbenschwanzfälle geworfen? Ich brach mir den Arm und den Oberschenkel. Das hätte ich bestimmt nicht freiwillig in Kauf genommen. Für keinen Preis der Welt.«
»Oh, und ich vermute, Sie haben noch schnell einen weiblichen Teenager vor dem Ertrinken gerettet, bevor Sie in die Tiefe gestürzt sind, richtig?«, spottete sie.
Kev zuckte die Achseln. »Tatsächlich war es in meinem Fall ein männlicher Teenager. Ich bin in den Fluss gesprungen, um ihm herauszuhelfen. Fragen Sie den Jungen, ob er diesen Stunt absichtlich abgezogen hat, um die Handlung in Ihrem Comic-Roman nachzustellen. Das könnte Ihnen einen echten Lacher einbringen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Zufall«, wiederholte sie.
»Ich würde selbst an einen Zufall glauben, auch an zwei, an acht oder an fünfzehn«, entgegnete er. »Aber nicht an Hunderte.«
Misstrauen regte sich in ihr, begleitet von solch bitterer Enttäuschung, dass ihre Kehle zu brennen begann. »Ich verstehe allmählich, wo das hinführt«, sagte sie. »Nur damit das klar ist: Ich weiß absolut nichts über Ihr dummes kleines Leben, noch will ich irgendetwas darüber wissen. Alles, was ich geschrieben oder gezeichnet habe, ist meine eigene, unverfälschte, spontane Erfindung. Sollten Sie also beabsichtigen, mich vor Gericht zu zerren –«
»Edie, nein.«
»Für Sie immer noch Ms Parrish, Mister, und falls Sie mich wegen Plagiats oder was Ihnen sonst vorschwebt, verklagen wollen, tun Sie sich keinen Zwang an. So etwas passiert mir häufiger. Es ist eine der Schattenseiten, wenn man die Tochter eines extrem vermögenden Mannes ist, und Sie wären überrascht, wie viele Schattenseiten damit einhergehen. Nach dem dritten Mal hat mein Vater eine Versicherung für mich abgeschlossen. Ich werde Ihnen gern die Telefonnummern unserer Anwälte zur Verfügung stellen, wenn Sie sich Zeit und Mühe sparen wollen.« Sie stand auf. »Was mich betrifft, so habe ich nicht die Muße für diesen beleidigenden Schwachsinn. Ich schätze es gar nicht, wenn man mir vorwirft –«
»Stopp!« Kev packte ihr Handgelenk und zog sie zurück. »Ich will Sie nicht verklagen! Ich würde Ihnen niemals Schaden zufügen. Das ist das Letzte, was mir je in den Sinn käme. Bitte, setzen Sie sich. Bitte, Edie.«
In seiner Stimme klang ein unterschwelliger Befehlston mit, der ihre Anspannung löste. Ihre Knie gaben nach, sodass sie wieder auf dem Stuhl landete. Edie entriss ihm ihre Hand, dann krallte sie in ihrem Schoß die Finger ineinander, bis das ganze Blut aus ihnen gewichen war. »Wenn es nicht das ist, was wollen Sie dann von mir?«
»Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen«, antwortete er sanft.
Verdutzt wartete sie, dass er weitersprach. »Eine Geschichte, die ich in einem meiner Bücher aufgreifen soll? Ich bediene mich keiner fremden Ideen. Das habe ich nicht nötig, weil meine eigenen vollkommen
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