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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Baumeister
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Tag hinweg aufwendeten. Dabei machten sie eine interessante Entdeckung: Je mehr die Teilnehmer ihren Willen anstrengten, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie der nächsten Versuchung erlagen, vor allem wenn diese kurz darauf erfolgte.
    Wenn die Teilnehmer der Beeper-Studie und die Studenten schließlich ihren Versuchungen nachgaben, suchten sie die Schuld vermutlich bei einer Charakterschwäche: »Ich besitze einfach nicht genug Willenskraft.« Aber zu einem früheren Zeitpunkt hatten sie doch die Willenskraft besessen, einer ähnlichen Versuchung zu widerstehen! Was war passiert? War sie wirklich gänzlich verschwunden? Kann sein. Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit, die Ergebnisse aus der Erforschung der Ego-Erschöpfung zu interpretieren. Vielleicht verloren sie die Willenskraft ja nicht einfach. Vielleicht sparten sie sich ihren Willen nur bewusst oder unbewusst auf. Das meint jedenfalls Mark Muraven 34 , der als Baumeisters Assistent mit der Erforschung dieser Frage begann und heute an der State University of New York in Albany lehrt und forscht. Er begann mit der üblichen Runde von Übungen, die den Willen der Testpersonen schwächen sollen. Eingangs derzweiten Runde, in der ihre Ausdauer überprüft werden sollte, wies er die Teilnehmer darauf hin, dass es eine dritte Runde mit weiteren Aufgaben geben werde. Daraufhin gaben sich die Teilnehmer in der zweiten Runde weniger Mühe. Bewusst oder unbewusst sparten sie sich ihre Energie für das große Finale auf.
    Dann wandelte Muraven das Experiment ein wenig ab. Vor Beginn des Ausdauertests informierte er die Teilnehmer, dass sie einen Geldpreis erhalten sollten, wenn sie ihre Sache gut machten. Die Ankündigung wirkte Wunder, und die Teilnehmer mobilisierten sofort ihre Reserven. Wer sie beobachtete, wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass ihre Willenskraft zuvor geschwächt worden war. Sie waren wie Marathonläufer, die noch einmal einen Schub frischer Energie spüren, wenn sie um die Ecke biegen und plötzlich den Pokal sehen, der hinter der Ziellinie auf sie wartet.
    Aber nehmen wir an, der Marathonläufer erreicht den Pokal und erfährt plötzlich, dass die eigentliche Ziellinie noch einen Kilometer entfernt ist. Genau das tat Muraven den Teilnehmern an, die in der zweiten Runde einen Preis gewonnen hatten. Nachdem sie alles gegeben hatten, teilte er ihnen mit, dass sie noch nicht fertig seien und ein weiterer Ausdauertest folgen würde. Da sie nicht vorgewarnt worden waren, hatten sie sich ihre Energie nicht eingeteilt und lieferten nun miserable Ergebnisse ab. Mehr noch, je besser sie in der zweiten Runde gewesen waren, umso schlechter schnitten sie nun in der dritten ab. Sie waren wie der enttäuschte Marathonläufer, der zu früh zum Schlussspurt ansetzt und den letzten Kilometer ins Ziel humpelt, während alle anderen an ihm vorbeilaufen.
    Lektionen aus dem Alltag
    So rebellisch sich Amanda Palmer geben mag, in einer Hinsicht ist sie gutbürgerlich. Auf die Frage nach ihrer Willenskraft meint sie, sie habe nie genug davon gehabt: »Ich bin kein disziplinierter Mensch.«Aber sie gibt gern zu, dass die sechs Jahre als lebende Statue ihre Entschlossenheit gestärkt haben.
    »Das Straßentheater hat mir eine stählerne Ausdauer gegeben«, sagt sie. »In den Stunden auf der Kiste habe ich gelernt, mich zu konzentrieren. Auf der Bühne zu stehen bedeutet, sich an das Hier und Jetzt zu ketten und dabeizubleiben. Wenn es um langfristige strategische Planung geht, bin ich miserabel, aber ich habe eine gute Arbeitsmoral und bin jemand, der sich ganz auf eine Sache konzentriert. Wenn ich ein Projekt nach dem anderen mache, dann kann ich mich stundenlang konzentrieren.«
    Das bestätigen auch Wissenschaftler, die Tausende Menschen im Labor und im Alltag untersuchten. Die Experimente belegen durchgängig zweierlei:
Unsere Willenskraft hat Grenzen und wird bei Benutzung geschwächt.
Wir benutzen dieselbe Willenskraft für alle möglichen Aufgaben.
    Man könnte meinen, dass wir vielleicht einen Vorrat für Arbeit haben, einen anderen für Sport und wieder einen anderen dafür, nett zu unserer Familie zu sein. Aber das Radieschen-Experiment zeigte, dass zwei vollkommen unterschiedliche Tätigkeiten – die Teilnehmer mussten zuerst den Plätzchen widerstehen und dann eine Denkaufgabe lösen – auf ein und dieselbe Energiequelle zugriffen. Dieses Phänomen wurde wieder und wieder nachgewiesen. Wir benutzen dieselbe Willenskraft, um mit dem

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