Die Macht der Disziplin
über ihreZukunft nachdachten, schnitten dagegen schlechter ab. In diesem Fall schienen langfristige Ziele wirksamer zu sein als kurzfristige, beispielsweise gute Noten, die bevorstehenden Ferien oder das Abschlusszeugnis. Diese Fernziele waren auch nützlicher als Ziele, die sich an der Gegenwart orientierten, etwa anderen zu helfen oder Wissen zu erwerben. Aber warum funktionierten die langfristigen Ziele bei den älteren Schülern, aber nicht bei den Kindern im Rechenkurs? Das liegt unter anderem daran, dass die älteren Schüler einen Zusammenhang zwischen ihren täglichen Aufgaben und ihren langfristigen Zielen erkannten. Die besseren Schüler betonten nicht nur die entfernten Ziele, sondern erkannten außerdem, dass ihre tägliche Lernarbeit einen wichtigen Schritt in Richtung auf dieses Ziel darstellte. Daneben mag der Unterschied auch damit zusammenhängen, dass ältere Kinder insgesamt eine bessere Vorstellung von der Zukunft haben als jüngere.
Unabhängig davon, ob die Jungen ihre kurzfristigen Ziele tatsächlich erreichten oder nicht, erzielten sie Fortschritte, weil sie den Zusammenhang zwischen ihren Träumen und der täglichen Büffelei erkannt hatten. Vermutlich erhielten sie damit denselben Lohn, den Benjamin Franklin erhielt. Gegen Ende seines Lebens räumte er fröhlich ein, dass er auch nicht ein einziges Mal sein kurzfristiges Ziel einer sauberen Wochentabelle erreicht hatte, von seinem Fernziel der moralischen Vollkommenheit ganz zu schweigen. Aber die Verbindung zwischen beiden Zielen hatte ihn die ganzen Jahre hindurch motiviert. Daher tröstete er sich mit dem Ergebnis: »Auch wenn ich nie die Vollkommenheit erreicht habe, die ich mir in meinem Ehrgeiz vorgenommen hatte, und noch immer weit von ihr entfernt bin, war ich allein durch die Bemühung darum ein besserer und glücklicherer Mensch, als ich es gewesen wäre, wenn ich den Versuch nie unternommen hätte.«
Fern- und Nahziele
Wie detailliert sollten Ihre Pläne also sein, wenn Sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen? Wissenschaftler beobachteten Studenten, die an einem Programm zur Verbesserung ihrer Lerntechniken teilnahmen. Die Studenten erhielten nicht nur die üblichen Hinweise zum Zeitmanagement, sondern wurden nach dem Zufallsprinzip auf eine von drei Planungsgruppen verteilt: Die Angehörigen der ersten Gruppe sollten detaillierte Tagespläne erstellen und festhalten, was sie wo und wann lernen wollten. Die zweite Gruppe erstellte Monatspläne, und die Kontrollgruppe machte gar keine Pläne.
Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass diejenigen Studenten mit den Tagesplänen die besten Lernerfolge erzielen würden. Doch sie lagen mit ihrer Vermutung daneben. Die Gruppe, die monatsweise plante, verbesserte ihre Lerngewohnheiten am effektivsten. Unter den schwächeren Studenten (nicht unter den besseren) zeigte die Monatsplanung eine eindeutig größere Verbesserung der Leistungen als die Tagesplanung. 59 Die Monatsplaner behielten die neuen Lerngewohnheiten außerdem deutlich länger bei und übernahmen sie eher in ihrem Studium. Ein Jahr nach Abschluss des Kurses erzielten sie noch immer bessere Leistungen als die Tagesplaner, die zu diesem Zeitpunkt längst jede Form der Planung wieder aufgegeben hatten.
Woran liegt das? Tagespläne haben den Vorteil, dass die Studenten ganz genau wissen, was sie wann zu tun haben. Aber die Planung ist aufwändig, denn es nimmt natürlich deutlich mehr Zeit in Anspruch, dreißig Tagespläne zu erstellen als einen einzigen Monatsplan ohne Details für jeden einzelnen Tag. Außerdem besitzen Tagespläne den zusätzlichen Nachteil, dass sie unflexibel sind. Sie nehmen uns die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, und vermitteln uns das Gefühl, an eine starre Abfolge gefesselt zu sein. Das Leben hält sich selten an Pläne, weshalb Tagespläne frustrierend wirken, wenn wir sie nicht einhalten. Ein Monatsplan lässt sich dagegen anpassen. Wenn sich an einem Tag eine Verzögerung ergibt, ändert das nichts am Plan.
Die umfassendsten Experimente zur groben und detaillierten Planung führten die Feldherren auf den Schlachtfeldern Europas durch. Napoleon 60 fasste einmal seine Vorstellung der strategischen Planung so zusammen: »Man greift an, und dann schaut man, was passiert.« Mit dieser improvisierten Strategie wurde seine Armee zur gefürchteten Geißel Europas. Seine Gegner, die Preußen, suchten nach einem Vorteil, um keine weiteren Schlachten gegen die Franzosen zu verlieren, und
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