Die Macht der Disziplin
probierten es mit mehr Planung. 61 Die Offiziere anderer Nationen mokierten sich über die Vorstellung von Soldaten, die mit Bleistift und Papier an einem Tisch saßen. Doch die Planung erwies sich als großer Vorteil, und als die beiden Nationen wieder aufeinandertrafen, behielten die Preußen die Oberhand.
Im Ersten Weltkrieg planten alle. Und im Zweiten Weltkrieg verfügten die Offiziere über die bürokratischen Fähigkeiten, um die vielleicht komplizierteste logistische Operation der Geschichte durchzuführen: die Landung in der Normandie. Mit 160 000 Soldaten war die Invasionsarmee zwar noch klein gegen das Heer von Napoleon, der mit 400 000 Mann nach Russland marschiert war. Doch die Operation war so präzise durchgeplant, dass die Planer ihren eigenen Kalender hatten, den sie in die Zeit vor und nach dem D-Day 62 einteilten. Die To-do-Liste enthielt detaillierte Vorbereitungen (etwa Bombardierungen am Tag D –3) und natürlich die Invasion selbst. Der Plan reichte bis D +14 und organisierte Nachschub und Verstärkung ganze zwei Wochen nach der ersten Landung. Napoleon hätte dieses Vertrauen in Pläne vermutlich belächelt, doch der Erfolg gab den Alliierten Recht.
Nach dem Krieg hatte auch die amerikanische Wirtschaft ihre Helden der Planung, etwa die Whiz Kids, eine Gruppe von Kriegsveteranen, die den Autohersteller Ford auf Vordermann brachten. Ihr Vordenker war Robert McNamara 63 , der vor dem Krieg an der Harvard Business School Buchhaltung unterrichtet hatte. Das Mathematikgenie hatte im Statistikbüro der Air Force die Erfolge der Luftangriffe ausgewertet und nach dem Krieg bei Ford angefangen. Später wurde er Verteidigungsminister und führte im Pentagon Planungsinstrumenteein, die auf der Systemanalyse beruhten. Er schien der Inbegriff des modernen Kriegers zu sein, doch in Vietnam erlitten seine Pläne Schiffbruch. Während er im Pentagon saß und mit Hilfe von Opferstatistiken die Niederlage des Feindes plante, stellten die Soldaten im Dschungel fest, dass auf diese Pläne und Statistiken kein Verlass war. Nach Vietnam entdeckten die Militärführer die Flexibilität wieder, und diese Lektion wurde nach dem Scheitern der Kriegspläne in Afghanistan und im Irak noch verstärkt. Manchmal muss man eben einfach angreifen und dann weitersehen, wie Napoleon meinte.
Wie genau planen moderne Generäle die Zukunft? Diese Frage stellte ihnen unlängst ein Psychologe, der im Pentagon einen Vortrag über Zeit- und Ressourcenmanagement hielt. Als kleine Aufwärmübung bat er die Generäle, stichpunktartig zu notieren, wie sie ihre Angelegenheiten organisierten. Die Generäle waren verblüfft. Keiner der Männer in Uniform konnte die Frage beantworten.
Die Ausnahme war die einzige Frau im Generalsrang. Sie hatte am Irakkrieg teilgenommen und war dort verwundet worden. Sie erklärte ihren Ansatz so: »Zuerst erstelle ich eine Prioritätenliste mit erstens, zweitens, drittens, und so weiter. Dann streiche ich alles bis auf die ersten beiden Punkte.« Die anderen Generäle könnten dem widersprochen und eingewendet haben, dass jeder mehr als zwei Ziele habe und dass einige Projekte – zum Beispiel der D-Day – mehr als zwei Schritte erforderten. Aber die Generalin war auf der richtigen Spur. Sie hatte eine vereinfachte Version einer Strategie, mit der sich langfristige und kurzfristige sowie grobe und detaillierte Planung verbinden lassen. Ihr Ziel war ein »Geist wie Wasser« (wir kommen gleich dazu).
Der Eingangsordner Ihrer Träume
Als der Komiker Drew Carey wieder einmal vor seinem chaotischen Schreibtisch die Hände über dem Kopf zusammenschlug, hatte er eine Eingebung. »Was würde David Allen 64 tun?« Oder besser noch: »Wiewäre es, wenn ich mir David Allen holen würde, damit der Ordnung in dieses Durcheinander bringt?«
Bis zu diesem Tag war Carey ein typisches Opfer der Informationsflut, soweit ein Star überhaupt typisch sein kann. Er hatte seine eigenen Comedy-Serien und Gameshows gehabt, seine Memoiren geschrieben, soziale und politische Aktionen organisiert und war Eigentümer einer Fußballmannschaft, doch diese Aufgaben waren nichts im Vergleich mit seinem Eingangsordner und seiner To-do-Liste. Obwohl er eine Sekretärin beschäftigte, überforderten ihn die vielen Anrufe, Drehbücher, Treffen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, ganz zu schweigen von den Dutzenden E-Mails, die täglich auf Antwort warteten. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich unbezahlte Rechnungen, unbeantwortete
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