Die Macht der Disziplin
Versuchung nicht nach. Und die Haushaltsplaner widerstanden der naheliegenden Versuchung, Geld zu sparen, indem sie teure frische Lebensmittel durch billigeres Junkfood ersetzten. Im Gegenteil, viele gaben
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Geld für gesunde Lebensmittel aus, weil sie offenbar insgesamt ein größeres Interesse an Selbstdisziplin hatten.
Einige Teilnehmer gaben außerdem an, sie könnten ihre Gefühle besser im Zaum halten. Diesem Phänomen ging Oaten zusammen mit Eli Finkel von der Northwestern University in einem Nachfolgeexperiment 100 zur häuslichen Gewalt nach. Sie befragten Teilnehmer nach der Wahrscheinlichkeit, mit der sie körperliche Gewalt gegen ihre Partner ausüben würden, wenn sie beispielsweise von diesen »nicht respektiert« oder betrogen werden würden. Dann gaben sie ihnen Übungen mit, die sie zwei Wochen lang durchführen sollten. Nach zwei Wochen ergaben die Befragungen eine geringere Gewaltbereitschaft sowohl im Vergleich mit der ersten Runde als auch zu einerKontrollgruppe. (Aus ethischen und praktischen Gründen können die Wissenschaftler die Teilnehmer lediglich nach ihrer Gewaltbereitschaft befragen, aber sie können die tatsächliche Gewalt nicht vor Ort messen.) Selbstbeherrschung verringert also offenbar die häusliche Gewalt. 101
Alles in allem zeigt Willenstraining erstaunliche Ergebnisse. Ohne es zu bemerken, erzielten die Teilnehmer Verbesserungen in Lebensbereichen, die gar nichts mit ihren Übungen zu tun hatten. Die Laborversuche lieferten die Erklärung für dieses Phänomen: Ihre Willenskraft wurde allmählich stärker und vor allem ausdauernder. Wer in einem Bereich seine Selbstbeherrschung trainierte, konnte sie auch in anderen verbessern, genau wie Benjamin Franklin oder David Blaine behaupteten. Die Versuche zeigten außerdem, dass Sie keine übermenschliche Selbstdisziplin mitbringen müssen, um von den Übungen zu profitieren: Solange Sie motiviert sind, eine bestimmte Übung durchzuführen, kräftigt sich Ihre Willenskraft insgesamt, zumindest über die Dauer des Experiments.
Aber was passiert danach? Die Erfolge waren zwar bemerkenswert, doch die Experimente dauerten natürlich nur ein paar Wochen oder Monate. Wie schwer ist es, die Disziplin auch danach aufrechtzuerhalten? Auch auf diese Frage gibt der Fall von David Blaine Aufschluss.
Der schwerste Stunt von allen
Ehe wir David Blaine von den wissenschaftlichen Untersuchungen zur Willenskraft erzählten, fragten wir ihn, welches seiner Ausdauerexperimente am schwierigsten gewesen sei. Die Antwort fiel ihm verständlicherweise nicht leicht. Jede Tortur hatte ihren eigenen Schmerz. Der siebzehnminütige Tauchrekord bei Oprah war zwar schrecklich, aber kurz. Schlimmer war da schon der Horror der letzten Stunden seines 35-stündigen Pfahlstehens, als er Halluzinationen bekam und gegen sein Schlafbedürfnis ankämpfen musste (wäre er eingenickt, dann wäreer acht Stockwerke in die Tiefe gestürzt). Oder der Schmerz seiner 44 Fasttage in einer Glaskiste über der Themse. Er musste nicht nur den Anblick der essenden Menschen auf der Promenade ertragen, sondern hatte die ganze Zeit eine riesige Tafel mit einer Werbung für Batterien vor der Nase, auf der stand: »Wenn die Willenskraft nicht ausreicht«. Er versuchte, den Spruch witzig zu finden, doch es fiel ihm täglich schwerer. »Ab dem 38. Tag hatte ich einen Schwefelgeschmack im Mund, weil mein Körper angefangen hat, seine Organe aufzuzehren«, erinnert er sich. »Mein ganzer Körper hat mir wehgetan. Wenn der Körper seine Muskeln abbaut, dann fühlt sich das an, als würde einem jemand ein Messer in den Arm rammen.«
Aber die härteste seiner Übungen waren die 63 Stunden in einem Eisblock. Als er am Times Square in 6 Tonnen Eis eingeschlossen wurde, war das Eis nur einen Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er verspürte eine ungewohnte Platzangst und zitterte sofort vor Kälte. Drei Tage lang fror er elendig, obwohl es draußen inzwischen für die Jahreszeit ungewöhnlich warm wurde. Die Sonnenstrahlen schufen ein zusätzliches Problem: Das Eis schmolz und tropfte ihm wie bei einer chinesischen Wasserfolter auf den nackten Hals und den Rücken. Gleichzeitig durfte er nicht einschlafen, denn wenn er sich gegen das Eis gelehnt hätte, dann hätte er Erfrierungen erlitten. Während er am Nachmittag des letzten Tages auf seine Befreiung wartete, die zur besten Sendezeit im Fernsehen übertragen werden sollte, wurde der Schlafmangel schier unerträglich.
»Ich hatte das
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