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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Baumeister
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hatte es einfach vor sich hergeschoben, bis es zu spät war. In seiner Glaskiste über der Themse hatte er 44 Tage lang gefastet, und nun schaffte er es nicht einmal, seinem Kühlschrank zu widerstehen. Ein Grund war natürlich die Verfügbarkeit. »Ich glaube nicht, dass ich hier in dieser Wohnung 44 Tage lang fasten könnte«,sinniert er. »In der Kiste gab es keine Versuchung. Deshalb habe ich es in der Öffentlichkeit gemacht, denn dann kann ich nicht anders.« Aber selbst wenn er zu Hause keine sieben Wochen lang fasten kann, warum schafft er es dann nicht einmal, seine täglichen Mahlzeiten ein bisschen zu reduzieren?
    Der Grund war die fehlende Motivation. Er hat sich und dem Publikum nichts zu beweisen. Er wusste, dass er sich beherrschen konnte, wenn er wollte, und niemand würde es ihm verübeln, wenn er zwischen seinen Stunts ein bisschen entspannte. Trotz seiner erstaunlichen Willenskraft stand er vor demselben Problem, das wir alle haben, wenn es um die schwierigste Form der Selbstbeherrschung geht: die Disziplin nicht nur ein paar Tage oder Wochen aufrechtzuerhalten, sondern über Jahre hinweg. Dazu sind die Techniken nötig, die ein anderer Ausdauerkünstler entwickelt hat.

KAPITEL 7 
MIT TRICKS DURCH SCHWIERIGE ZEITEN 
    Selbstbeherrschung
    ist wichtiger
    als Schießpulver.
     
    Henry Morton Stanley
102
    A ls Henry Morton Stanley 103 im Jahr 1887 den Kongo hinauffuhr, stieß er unfreiwillig ein fatales gesellschaftliches Experiment an. Seine erste Expedition, die er als Journalist in das Herz des afrikanischen Kontinents unternommen hatte, lag bereits 16 Jahre zurück. Damals hatte er Berühmtheit erlangt, weil er einen schottischen Missionar aufgespürt und mit den Worten »Dr. Livingstone, nehme ich an« begrüßt hatte. Mit seinen inzwischen 46 Jahren war Stanley ein erfahrener Forscher und führte seine dritte Expedition nach Afrika. Während er in den unbekannten Regenwald vordrang, ließ er in einem Lager am Flussufer eine Gruppe zurück, um auf Nachschub zu warten. Dort sorgten die Anführer der Nachhut, die aus den besten Familien Großbritanniens stammten, für einen internationalen Skandal.
    Diese Männer, die zusammen mit einem britischen Militärarzt ein Fort auf der Route übernahmen, verloren kurz nach Stanleys Aufbruch jegliche Selbstbeherrschung. Sie verweigerten kranken Afrikanern, die zu ihrer Gruppe gehörten, jede medizinische Behandlung und ließen sie an behandelbaren Krankheiten und Lebensmittelvergiftungen sterben. Sie entführten junge afrikanische Frauen und hielten sie als Sexsklavinnen. Als eine der jungen Frauen weinend flehte, zu ihren Eltern zurückkehren zu dürfen, lachten sie nur; eine andere, die entkam, fingen sie wieder ein und fesselten sie, um eine weitere Flucht zu verhindern. Der britische Befehlshaber des Forts misshandelte und verstümmelte Afrikaner. Einige stieß er sie mit einem scharfen Stahlstock, andere ließ er wegen lächerlicher Vergehen halb totprügeln oder erschießen. Die meisten seiner Offiziere äußerten keinen Widerspruch. Als eine Frau der Pygmäen und ihre Kinder, die in der Nähe des Forts lebten, beim Diebstahl von Lebensmitteln erwischt wurden, ließ er ihnen die Ohren abschneiden. Andere Diebe wurden erschossen und hingerichtet, und ihre Köpfe wurden zur Warnungvor dem Fort auf Spießen ausgestellt. Einer der Offiziere der Nachhut, ein Biologe und Erbe des Whiskeyfabrikanten Jameson, bezahlte Kannibalen dafür, ein elfjähriges Mädchen zu töten und zu essen, damit er das Ritual zeichnen konnte.
    Etwa zu dieser Zeit brach Joseph Conrad 104 zu seiner Reise auf dem Kongo auf. Ein Jahrzehnt später sollte er den enthemmten Imperialisten Kurtz erfinden, die Hauptfigur seines Romans
Herz der Finsternis
. Kurtz ließ es »an Hemmungen bei der Befriedigung seiner verschiedenen Lüste fehlen«, da er »innerlich hohl« war – und »die Wildnis hatte diesen Mangel schnell bemerkt«. Die europäischen Leser lernten die Gefahren der afrikanischen Wildnis auch aus der Lektüre von Berichten über Stanleys Nachhut kennen. Kritiker forderten ein Ende dieser Expeditionen, und sehr zu Stanleys Bedauern sollte es tatsächlich die letzte ihrer Art gewesen sein. Auch er verurteilte das Verhalten seiner Männer, denn obwohl er die Gefahren der Wildnis nur zu gut kannte, hielt er sie für bezähmbar.
    Während seine Nachhut Amok lief, hielt er nämlich in einer sehr viel wilderen Umgebung die Disziplin aufrecht. Zusammen mit der Vorhut der Expedition

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