Die Macht der Drei
natürlichen Schutzbedürfnis zu vertrauen versuchte, soweit ein natürliches, ihr selbst unerklärliches Mißtrauen es zuließ.
Die Werbung Glossins hatte das Verhältnis mit einem Schlage zerstört, hatte Jane von neuem in schwere seelische Kämpfe gestürzt. Das Gefühl tiefster Verlassenheit übermannte sie von neuem. Was blieb ihr nach alledem noch auf dieser Erde? Die Mutter tot… Silvester verloren und verschollen… Glossins Freundschaft falsch…
Dazu die Gesellschaft dieser alten Negerin, deren Anblick und Wesen ihr von Tag zu Tag widerlicher wurden. Das Grinsen der alten Abigail hatte jetzt einen besonderen Inhalt und Ausdruck gewonnen, der Jane erschreckte und peinigte. Dazu Redensarten der Schwarzen, die ihr zwar größtenteils unverständlich blieben, aber auch das wenige, das sie verstand und erriet, erschreckte sie.
Sie verließ das Haus nicht mehr. Die Spaziergänge und Wagenfahrten der früheren Wochen unterblieben. Mit müdem Hirn suchte sie die auf sie einstürmenden Fragen zu beantworten.
Was sollte aus ihr werden? Was hatte Glossin mit ihr vor? Weshalb hatte er sie gerade hierher gebracht? Was sollte sie weiter beginnen? Wenn sie irgendwo eine Stellung annähme… eine untergeordnete Stellung… irgendwo… nur fort von hier… fort! Wäre sie doch in Trenton geblieben! Kein Brief, kein Lebenszeichen aus Trenton hatte sie jemals erreicht.
Fort! Fort! Warum war sie nicht schon längst fort? Warum hatte sie nicht gleich nach der Werbung Glossins die Farm verlassen?
Wie oft hatte sie sich diese Frage schon vorgelegt. Und jedesmal war sie an einen Punkt gekommen, wo sie keine Antwort auf die Frage fand. Warum nicht? Wie viele Versuche hatte sie schon gemacht, Reynolds-Farm zu verlassen. Warum hatte sie das Vorhaben niemals ausgeführt?
Wie ein schwerer Alpdruck lag es auf ihr. Warum nicht… Sie wurde doch nicht gefangengehalten? Nicht einmal bewacht oder kontrolliert.
Sie brauchte doch nur ihr Köfferchen zu packen und das Haus zu verlassen. Nur bis zum nächsten Dorf zu gehen, um in Sicherheit zu sein. Sogar ungesehen von Abigail konnte sie das Haus verlassen. Denn das hatte sie schon bald nach ihrer Ankunft hier entdeckt, daß das alte Negerweib der Flasche zugetan war. Gleich nach dem Auftragen des Mittagsmahles verschwand die Alte, und öfter als einmal hatte Jane sich selbst um das Abendessen kümmern müssen. Sie wußte, daß Abigail Stunden hindurch irgendwo in einem Winkel lag. Lange Stunden, in denen sie, von niemandem daran gehindert, das Haus verlassen konnte.
Weshalb hatte sie es nicht getan? Weshalb tat sie es nicht heute?
Ihr Antlitz, schön und jugendlich, aber blaß durch Kummer und Aufregung, erhielt einen entschlossenen Zug. Die Falten zu den Mundwinkeln vertieften sich, ihre Augen bekamen ein neues Feuer. Alle Lebensenergien in ihr drängten zur Tat.
Mit einem plötzlichen Ruck erhob sie sich von ihrem Sitz und schritt nach dem Schlafkabinett. Hastig ergriff sie ein paar der notwendigsten Kleidungsstücke und begann sie in den kleinen Handkoffer zu stopfen. Und erinnerte sich zur gleichen Zeit, wie oft sie das gleiche schon früher versucht hatte und niemals damit zum Ziel gelangt war. Heute ging es viel besser. Kleiderschicht fügte sich auf Kleiderschicht, und mit einem Seufzer der Befriedigung drückte sie den Bügel des Handkoffers zusammen. So weit war sie früher noch niemals gekommen.
Jetzt nur noch zuschließen! Der Schlüssel befand sich in ihrer Handtasche dort auf dem Tische. Sie entnahm ihn der Tasche, wandte sich wieder dem Koffer zu und fühlte, wie die alte Lähmung von neuem über sie kam. Wie Blei wurden ihr die Füße. Nur mit Mühe konnte sie die wenigen Schritte vom Tisch zum Koffer zurücklegen. Endlich war es gelungen, aber nun lag das Blei in ihren Armen. Sie versuchte es, den Schlüssel in das Schloß zu schieben… Da fiel er klirrend auf die Diele.
Einen Augenblick starrte sie hoffnungslos auf das kleine blinkende Eisen, das da vor ihr auf der Zimmerdiele lag. Dann durchzuckte ein Schluchzen ihren Körper. »…Warum… kann ich… nicht?… Warum… o Gott!… Warum…«
Sie fiel vornüber auf die Tasche und blieb Minuten hindurch regungslos liegen.
Eine Macht, ein Einfluß, ihr selbst unerklärlich und unfaßbar, hinderte sie, dieses offene und unbewachte Haus zu verlassen. Sie ging in das andere Zimmer und warf sich auf ihr Ruhebett.
»Die Qual! Warum muß ich diese Qualen leiden? Wo bleibst du, Silvester? Mutter, ach wäre ich bei
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