Die Macht Der Könige
Sie waren überzeugt, daß es für sie keinen Platz im Aphrodisiahaus gab, keine Arbeit bei den parfümierten Damen der Nacht, keine wundervolle Zukunft, die sich Tag für Tag für sie ergeben würde.
Im Traum war Shawme wieder in der Rattenfalle, wo niemand eine Zukunft und niemand eine Vergangenheit hatte. Außer Zip. Und Zip achtete nicht auf die noch zu jungen Halbwüchsigen. Für Zip war man erst von einiger Bedeutung, wenn man schon so gut wie erwachsen war - und die VFBF Verwendung für einen hatte.
Shawme öffnete die verkrampfte Faust und rieb sich die Augen. Als die Schrecken des Alptraums schwanden, machte sich Freude breit, die zu einem echten Glücksgefühl anschwoll. Sie war tatsächlich hier! Sie hatte es geschafft, aus der Rattenfalle rauszukommen!
So war denn alles hier wahr und wirklich - die Daunendecke, die sie bis zu den nackten Schultern gezogen hatte, die nach Lavendel duftende Öllampe neben dem Bett, die sie bei Anbruch der Dunkelheit nur anzuzünden brauchte, der wunderschöne Sonnenuntergang. Selbst in Freistatt konnte die Nacht wundervoll sein, wenn man sich in der Geborgenheit eines feinen Hauses befand, statt sich frierend auf den Straßen herumtreiben zu müssen.
Und daß es Wirklichkeit war, verdankte sie Zip. Zip hatte sie beachtet, als sie ihm die Schätze brachte, die sie am Strand in Abwind gefunden hatte. (5) Zip hatte sie zum erstenmal wirklich angesehen, und Shawmes Herz hatte einen Schlag ausgesetzt. Etwas Besseres, als von Zip beachtet zu werden, konnte es nicht geben. Alle jungen Mädchen in der Rattenfalle und viele von Abwind obendrein träumten von Zip als Liebhaber. Zips Macht konnte einen beschützen, Zips Beziehungen konnten einem helfen, ja sogar aus der Rattenfalle herausbringen.
Als sie vor Zip stand, hatte Shawme sich auf die Lippe gebissen und sich zusammengenommen, daß sie ihn nicht anhimmelte. Sie mußte erwachsen wirken und den VFBF-
Führer beeindrucken, wenn ihr Plan durchführbar sein sollte. Die VFBF - die Volksfront für die Befreiung Freistatts -arbeitete nun mit Leuten aus der Oberstadt zusammen. Zips Beziehungen waren in den Elendsvierteln Legende. Sie lächelte tapfer und sagte: »Ich habe was gefunden - Dinge, die du bestimmt haben willst. Ich gebe sie her - wenn ich was anderes dafür kriege.«
Er hatte ihr erlaubt, daß sie sie ihm zeigte, daß sie ihm sagte, was sie gefunden hatte: einen Bronzestab, der edles Metall zu wertlosem machte, ein Amulett von unbestimmtem Wert, einen verrosteten Dolch, dessen Klinge man zum Leben erwecken konnte. Und da war noch etwas gewesen, aber das hatte sie ihm nicht gezeigt, denn noch war es ihr Geheimnis ganz allein.
Und der VFBF-Führer schien beeindruckt zu sein und hatte gefragt: »Wie heißt du, Mädchen, und was willst du für dieses Zeug?«
Sie hatte geantwortet, so selbstverständlich, als handle sie jeden Tag mit einem gutaussehenden Rebellenführer: »Ich will aus der Rattenfalle raus. Ich möchte ein Zimmer im Aphrodisiahaus. Ich möchte eines von Lady Myrtis' Mädchen werden und einen Edelmann kennenlernen und mich verheiraten.« Sie hatte den Kopf hoch erhoben, um zu zeigen, daß sie sich auskannte und wußte, wovon sie redete. Und während sie sprach, hatte sie mit gespreizten Händen über ihr Mieder und ihre Hüften gestrichen, wie sie es einmal bei einer Hure gesehen hatte, als sie im Labyrinth gewesen war.
Zip hatte die Augen zusammengekniffen, seine Mundwinkel hatten gezuckt, und er hatte die Hand um sein stoppelbärtiges Kinn gelegt, während er die gefundenen Schätze betrachtete. Schließlich hatten seine Augen unter dem schwarzen Stirnband aufgeblickt, und er hatte gesagt: »Wenn es das ist, was du möchtest, werde ich sehen, was ich tun kann. Aber laß das Zeug bei mir, sonst nimmt es dir jemand weg, und du hast nichts mehr zu bieten außer dir selber.«
Plötzlich war ihr unter seinem Blick unbehaglich geworden, denn es war ein anderer Blick als zuvor. Er schien durch ihre Kleidung zu dringen, und sie dachte einen Augenblick so verstört, er würde sie auffordern, ihre Eignung als Mädchen für Myrtis, für das beste Haus in Freistatts Bezirk der Roten Laternen, zu beweisen.
Hätte er es tatsächlich getan, wäre Shawmes Traum von einer Flucht in den Luxus sogleich wie eine Seifenblase geplatzt, denn Shawme hatte nicht die geringste Ahnung, was ein Mann wie Zip von einer Frau wollte, schon gar nicht von einer Frau vom Gewerbe.
Tatsächlich hatte Shawme keine Vorstellung, was man
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